Samstag, 26. August 2023
Auch die Meinungsfreiheit steht nicht höher als der Wunsch nach Bestätigung oder der Wunsch nach wahrheitsgemäßer Geschlechtszuordnung bzw. der Wunsch nach "Anerkennung". Und dies gilt nur für diesen einen Fall: Die Geschlechtsrealität der Seele. Bei jedem anderen Thema siegt die Meinungsfreiheit aber nicht bei diesem.

Daraus folgt aber nicht, dass es eine Pflicht zur Bestätigung oder zum Bekennen gibt. Sondern dass der Trans-Person der Rechtsanspruch zugesprochen wird, jede Fremdaussage, jede Fremdzuschreibung und Fremdzuordnung über die Geschlechtlichkeit ihrer Seele verbieten zu können. Allerdings gibt es hier immernoch eine Ungereimtheit: Eben die Frage, was als Aussage über die Geschlechtlichkeit der Seele interpretiert wird! Mache ich darüber eine Aussage, wenn ich "Frau Kellermann" oder "Herr Kellermann" sage? --

Wir haben uns als Gesellschaft für den Glauben an die "Menschenwürde" entschieden -- mit fragwürdigen Konsequenzen -- aber wir haben uns noch nicht für den Glauben an die Seele entschieden. Und das ist aus lebenspraktischen Gründen schwierig, denn in Wahrheit hängt letztlich alle Würde an der Anerkennung der Seele und ihrer Rechte. Aber man muss als säkularer Staat ja auch vorsichtig sein, mit religiösen, ideologischen Festsetzungen und man ist vielleicht selbst in der breiten Masse noch nicht von der Unsterblichkeit der Seele überzeugt. Also hat es die Seele noch nicht in unserer GG geschafft. Der Staatsapparat und das Staatshandeln spiegeln letztlich die Gesellschaft wieder. Und so haben wir auch tatsächlich monate- und jahrelang über die Sterbehilfe geredet, ohne ein einziges Mal den Begriff "Seele" und die Idee von einem Leben nach dem Tod in die Diskussion gebracht zu haben! (Jedenfalls kann ich mich an keinen derartigen Rede- oder Schriftbeitrag erinnern und ich habe diese Diskussion damals sehr intensiv verfolgt.)

In der Folge dieses Mangelzustands in unserem Bewusstsein wissen wir gar nicht so schnell eine Antwort auf obige Frage. Wir müssen uns erstmal an dieses Denken gewöhnen: Dass es da den Körper gibt und dann noch eine Seele. Ja, und was meinen wir nun, wenn wir "Herr" oder "Frau Kellermann" sagen? Die Seele oder den Körper oder beides?

Da wir es nicht wissen, lässt sich auch keine sprachnormierende Festlegung in dem einen oder anderen Sinne vornehmen. Und es ist legitim, sich auf die Rückzugsposition zurückzuziehen, dass man es doch weiß: "Wenn ich von Geschlecht rede, dann meine ich die Körperform -- und nicht die Seelenform." Folglich macht die Person keine Aussage über das Geschlecht der Seele, wenn sie "Herr" oder "Frau" sagt, oder entsprechende Pronomen benutzt, und folglich greift in diesem Fall auch nicht das Verbotsrecht der Trans-Person.



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"Es gilt das Prinzip, dass man sich freiwillig auf das Bestätigungsbedürfnis der Trans-Person zubewegen darf."

Eine Trans-Person würde mir hier möglicherweise erbost antworten:
"Wir wollen nur den gleichen Respekt, den auch jeder andere Mensch verdient hat und auch bekommt. Was Du da sagst, klingt nach einer Pathologisierung unserer in Wahrheit gesunden Bedürfnisse. Wir wollen keine Bestätigung irgend einer Fantasterei. Auch wenn es vielleicht oberflächlich betrachtet so aussehen mag. Wir wollen nur die Geltung als das was wir in unserer Seele sind. Die Seele hat dieses Recht."

Und damit wäre ich als Philosoph im Grunde schachmatt gesetzt. D.h. widerwillig überzeugt. Denn ich will und ich muss an die Seele glauben. Und ich glaube obendrein, dass sich das Thema der Geschlechtlichkeit bis in die Seele verwurzelt, vielleicht dort sogar entspringt -- und nicht der körperlichen Welt entspringt, sondern in der körperlichen Welt nur fortgesetzt und entsprochen wird --. Übrigens glaube ich dies auch deswegen, weil ich das Buch "Billy Fingers" gelesen habe. Dort spricht er auch von männlichen und weiblichen Seelen, und dass diese Eigenschaften noch auf den allerhöchsten Entwicklungsstufen der Seelen vorhanden sind. (Ich dachte früher immer, dass Seelen nicht mehr so viel Geschlecht an sich haben. Aber es scheint doch anders zu sein.)

Und meine Widerrufe "Meinungsfreiheit!" und "sprachliche Relativität und Uneindeutigkeit der Begriffe!" wären nicht vollständig entkräftet, aber doch irgendwie etwas schwach auf der Brust.

...

Also:
Gibt es jetzt ein Recht auf Bestätigung oder nicht?
Hier brechen jetzt die Lager auseinander. Die einen sagen: ja. Die anderen: nein.
Und die, die Ja sagen, würden hier nicht von "Bestätigung" reden, sondern von "Anerkennung", "Respekt". Sie würden auch davon reden, dass hier jemand "wahrheitsgemäß referenziert" wird.

Ein Grundproblem dabei: Die Seele ist in unserer materiellen, physischen Welt so überaus schwer sichtbar! Daher wird die Beurteilung dessen, was eine Person "wirklich" ist, von außen praktisch unmöglich, und man ist hier einer totalen Beliebigkeit ausgesetzt. Man kann es eigentlich nie nachprüfen, wenn plötzlich jemand behauptet "Ich bin ein Mann / eine Frau!".



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Es lebe die Juristerei und die findigen Juristenköpfe!

Jetzt also ein "Offenbarungsverbot"!
Was heißt das?

Ich weiß es nicht. Klingt für mich nach einem Kommunikationsverbot. Ich bin mir nicht sicher, ob es so etwas überhaupt geben darf. Allerdings bejahe natürlich grundsätzlich das Recht auf Privatsphäre. Wenn ich zB wüsste, wo die Kinder von Markus Lanz zur Schule gehen, dann wäre mir völlig klar, dass das eine Information ist, die man nicht weitergeben sollte und auch nicht darf, schon gar nicht öffentlich auf Twitter oder so.

Insofern könnte ich mich eigentlich noch damit abfinden. Das Wort "Offenbarungsverbot" klingt für mich auf der abstrakten Ebene zwar grundfalsch. Ein Kommunikationsverbot erscheint mir grundfalsch. Und doch: Ich könnte es akzeptieren.

Es bleibt nur ein klitzekleines Problem:
Oft genug "offenbart" sich, was Trans-Personen betrifft, die Biologie von selbst. Ich muss bei Frau Kellermann nicht wissen, welchen Geschlechtseintrag sie früher hatte. Ich muss ihr nur einmal ins Gesicht schauen, um dies zu wissen. Und so geht es, glaube ich, auch den restlichen 80 Millionen in diesem Land. Und da wird das "Offenbarungsverbot" eben absurd, bzw. es würde zu einem allgemeinen Schweigegebot werden. Hinsichtlich einer Tatsache, über die jeder Bescheid weiß.

Ich freue mich schon fast auf die kommenden Gerichtsurteile, die hierüber differenzierte Betrachtungen anstellen müssen.



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Vielleicht ist das Trans-Thema ein gutes Übungsfeld für dieses Entwicklungsziel. Vielleicht auch gerade nicht.

Jedenfalls fällt es hier sehr stark auf. Mir fällt es auf: Keinerlei Diskussion mehr. Keinerlei Abwägung von Argumenten. Keinerlei Versuch, der gegnerischen Perspektive etwas abgewinnen zu können.
Kein Maßhalten. Nur Vollgas. Nur Draufhauen. Nur Behaupten. Nur Recht haben. Hier die Guten. Dort die Bösen.

Man betreibt Feind-Markierungen. ZB nennt man Trans-Kritiker "TERFs" und versucht die gesamte Gesellschaft dadurch zu einer allgemeingültigen wertlos-Markierung oder Arschloch-Markierung zu überreden. TERFs sind inakzeptable Menschen. TERFs verdienen die Ausgrenzung. TERFs sind Transfeinde.

Auf der anderen Seite Menschen, die das gesamte Trans-Thema einfach nur in der Kategorie "irre/geisteskrank" belassen wollen, und die nichts anderes können, als sich hämisch und emotional verletzend über die Gegenseite zu äußern.



Wie überwindet man eine solche Unkultur?

Ich frage mich gerade selbst, wo ich hier genau stehe. Bei mir ist das "Sich in eine andere Perspektive hinein versetzen" ja fast schon eine Manie. Grundsätzlich will ich kein Rufmörder sein. Kein Schwarz-Weiß-Denker. Kein Freund-Feind-Spalter. Aber vielleicht betreibe ich manchmal auch das Doppelte von diesem Unfug, weil ich diese Sünden von jeder Seite aus begehen kann. Oder das stimmt alles nicht und ich bin hinterhältig gerissen. Böse.



Ich könnte erstmal nur einen Minimal-Zugeständnis machen, von dem ich mir wünschen würde, dass er ein Minimal-Konsens wäre:

Wir bejahen alle miteinander, dass es absolut richtig war, dass sich die Trans-Rechte GEGENÜBER DEM STAAT weiter durchgesetzt haben. Das Individium hat wirklich dieses Recht: Vom Staat als das gefühlt richtige Geschlecht behandelt zu werden. Es ist richtig, dass man sich als "divers", "weiblich" oder "männlich" eintragen lassen kann. Denn die Seele und die seelische Realität ist wichtiger als die körperliche Realität. (das hat vielleicht auch was mit Menschenwürde zu tun... allerdings will ich dies nicht als Glaubenszwang in die Welt setzen.)

Aber die Trans-Rechte können nicht so "austrahlen", dass sie auch GEGENÜBER DEM INDIVIDUM sich als das stärkere oder gültigere Recht behaupten, wenn es mit einem anderen Rechtsgut ein Konflikt gibt. Die Meinungsfreiheit bleibt bestehen. Es gilt das Prinzip, dass man sich freiwillig auf das Bestätigungsbedürfnis der Trans-Person zubewegen darf.

Ich würde mich freuen, wenn man diesen Konflikt auf diese Weise befrieden könnte. Wenigstens ein bißchen. Natürlich muss man jetzt noch klären, wo sich diese beiden Gültigkeitsräume eventuell überschneiden. Was ist zB mit den Umkleidekabinen in Schwimmbädern in öffentlicher Hand? Hier plädiere ich für eine dritte Kategorie "queer" und hier können dann alle rein, die sich in den binären Standardkategorien nicht wohlfühlen. Und auch alle, die sich mit den Trans-Personen solidarisch zeigen wollen.



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