Mittwoch, 23. August 2023
"Das Transgesetz ist, wie @ap_schulz richtig festgestellt hat, kein #Selbstbestimmungsgesetz. Es ist ein Fremdbestimmungsgesetz. Es regelt nicht zuvorderst, was Transgender-Personen tun müssen, sondern, was die Gesellschaft tun muss, um deren Lebenslüge mitzutragen."

https://twitter.com/ainyrockstar/status/1694405414803120159



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Sonntag, 20. August 2023
Das Thema Gendern mal ohne Geschrei. Dafür sehr wissenschaftlich, gründlich:




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Freitag, 5. Februar 2021

Wieviel Prozent von beleidigten Negern, Almans, Kanaken, Zigeunern, Kopftuchmädchen, Kümmeltürken und Kartoffeln brauchen wir, sollten wir brauchen, um als Sprachgemeinschaft mit einer Verhaltensänderung zu reagieren?

Wann ist es angemessen zu reagieren? Wann ist es geboten?

Reicht es vielleicht schon, wenn nur 33% aller Neger/Kartoffeln/Kümmeltürken beleidigt sind?

Und wollen wir auch versuchen, die Intensität des Beleidigt- oder Verletzt-Seins zu berücksichtigen?

Allgemeine Verfahrensregeln, die man unabhängig von Rasse oder Herkunft der adressierten Menschengruppe anwendet, wären eine feine Sache. Dass eine Sprachgemeinschaft einen zivilisierten und transparenten Modus findet, um Sprachstandards wirksam zu ändern. Bisher haben wir keinen ordentlichen Entscheidungsmodus. Es gibt nur irgendwelche Interessengruppen, die sich lautstark und scheinbar im Besitz aller moralischen Vollmachten in den Vordergrund spielen. Es gibt jede Menge einzelne Akteure, die ihre Forderungen laut kundtun. Ich weiß leider nur sehr selten, wie repräsentativ diese Akteure sind. Ich würde mir da mehr gesellschaftliche Transparenz wünschen. Hergestellt z.B. durch ein statistisches Bundesamt, das bundesweit detaillierte Umfragen mit betroffenen Menschen durchführt. Dann könnte ich z.B. nachlesen: "30% aller Sinti und Roma lehnen den Begriff Zigeunerschnitzel ab." (Das ist jetzt rein fiktiv; es können in Wirklichkeit mehr oder weniger sein. Ich weiß es nicht.)

Ich würde mir wünschen, dass wir diese Fragen weniger auf der moralischen Ebene verhandeln und mehr auf eine demokratische, kommunikative und empiriegestützte Weise. Als Moralisten sind die meisten heutigen Menschen immer gleich im Kriegszustand. Sie kommen mit absoluten Forderungen und dem unerschütterlichen Glauben, dass sie im Recht sind. Der Fehler beginnt schon an dem Punkt zu glauben, man selbst habe die eine wahre Bedeutungsbelegung eines Wortes. Ausgestattet mit dem "Wissen", dass dieses oder jenes Wort rassistisch oder beleidigend oder ausgrenzend sei, gibt es dann kein Halten mehr.

Aus sprachpsychologischer Sicht aber verhalten sich die Dinge etwas anders: Worte haben keine objektive Bedeutung. Sie haben nur die Bedeutung, die wir ihnen geben. – Dies ist eine der offensichtlichsten Eigenschaften der Sprache, und doch wird sie ständig übersehen. Oder sie wird verdrängt. Für mich gibt es kaum eine größere Albernheit als zu meinen, dieses oder jenes Wort habe "objektiv" diese oder jene Bedeutung mitsamt irgend einer objektiven Wertung. Zu glauben, dass es nicht anders sein könne. Zu glauben, dass Worte und Wortbedeutungen zwingend irgend einer Logik (der eigenen) unterworfen wären. – Ein Kind könnte das Wort Neger/Alman/Kanake benutzen und es würde es voller Unschuld benutzen.

Kann es vielleicht sein, dass die Menschen sich eine starre Sprache wünschen, weil sie selbst auf starre Weise denken? – Oder dass hier einfach das politische Engagement überschießt? Die Absicht, Gutes zu tun, ist so überschwer, dass man es im Eifer des Gefechts einfach nicht mehr schafft, der Realität Rechnung zu tragen? Das psychologische Bedürfnis zu handeln und etwas zu tun, etwas in der Welt zu bewegen, sich gegen "Rassismus" einzusetzen, ist so groß, dass man sich irgend ein Handeln geben muss. Und da sieht man dann das Feld der Sprache vor sich als ein willkommenes Betätigungsfeld. Und man stürmt los.



Auslöser dieses Beitrags:

Die Talkshow "Die letzte Instanz" und die Reaktionen darauf…



WDR-Sendung kassiert Shitstorm (welt)

Quattromilf (twitter)

Eine Entschuldigung reicht nicht mehr aus (stern)

Nicht über Menschen sprechen, sondern mit ihnen (uebermedien.de)

WDR gibt Fehler zu (spiegel)

Entschuldigungen von Talkshow-Master und -Gäste (welt)

Thomas Gottschalk schweigt (t-online)








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Montag, 21. September 2020
Das Gegenteil vom gutwilligen Zuhören, bewusstes Missverstehen, also im Grunde überhaupt gar kein Zuhören mehr; leider ist es Gang und Gäbe.

Normalerweise verteidige ich hier ja eher die AfD in solchen Angelegenheiten. Vielleicht bin ich mit ihr auch manchmal etwas zu gutwillig.

Daher heute mal ein Beispiel aus der CDU. Merz' angebliche Homophobie:
https://twitter.com/ronzheimer/status/1307936055237185536

Jeder Durchschnittsintellekt sollte hier mehrere mögliche Interpretationen finden.

Ich wähle hier die positivste Interpretation und glaube, dass ich der Person Friedrich Merz damit gerecht werde.



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Mittwoch, 18. März 2020
Ein Framing-Lehrstück: "Hamster-Käufe".

Wie niedlich das klingt! Doch das Verhalten ist lediglich Ausdruck eines primitiven Egoismusses. Jeder ist sich selbst der Nächste. Das gilt offenbar auch für Gutmenschen.

Ich hätte auf's Hamstern ganz verzichtet, hätte ich nicht vor leeren Regalen gestanden. Nun habe ich mich auch ein klein wenig eingedeckt. Ich versuche wenigstens Maß zu halten, nicht zu übertreiben.



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Freitag, 24. Mai 2019
https://twitter.com/dushanwegner/status/1131458577313480704 :

Am Sonntag ist EU-Wahl. Das manipulative Wort »Europawahl« ist Propaganda. Die US-Wahlen sind ja auch keine »Amerikawahl«, die Wahlen in Bayern sind keine »Deutschlandwahl« und wenn es Wahlen in China gäbe, wäre es noch immer keine »Asienwahl«.




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Freitag, 16. November 2018



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Mittwoch, 13. Juni 2018

Man muss den Prozess mal in seiner ganzen psychologisch elementaren Wirklichkeit sehen: Wir stehen alle vor dem gleichen Wort, den gleichen Worten, – und schlagen von dort unterschiedliche Wege des Assoziierens und Meinens ein.

D.h. also die gleichen Worte bedeuten für uns jeden etwas anderes. Natürlich immer auch graduell. Das ist kein Feld absoluter Beliebigkeiten. Aber vom Grundsatz und mindestens in der Feinjustierung der Assoziationen gilt dies immer.

Und so gibt es also Leute, die vor den Worten "Hitler war nur ein Vogelschiss" stehen und daraus machen: "Der millionenfache Massenmord war nur ein Vogelschiss" – und es gibt Leute, die diesen Assoziationspfad nicht einschlagen. Erstere regen sich natürlich heftig auf. Letztere in der Regel nicht, außer sie finden auf ihrem individuellen Pfad Gründe dafür.

Und ganz offensichtlich – das muss auch in aller elementaren Klarheit gesehen werden – gibt es hier sehr häufig Nebenmotiviationen. Und nicht selten sind es diese Nebenmotivationen, die den Ausschlag dafür geben, ob man zu der einen Sorte von "Verständigen" gehört, oder zu der anderen.

Nebenmotivationen sind es, die einen dazu treiben, sich allen Ernstes auf den Standpunkt zu stellen: "Meine Interpretation der Worte ist die einzig richtige!"

"Was hat mein Gegenüber wirklich sagen wollen?" – Soweit ich das betrachte, ist es sehr selten, dass eine Kommunikation über Politisches oder Moralisches von einer solch reinen Motivation angetrieben ist. Ein Machtinstinkt in uns – und Macht gehört mit zu den stärksten Motiven in uns, vor allem im moralischen Bereich – gibt uns schon ziemlich früh Signale darüber, welche Assoziationen für uns in diesem Fall von Vorteil sein werden – z.B. nämlich um seinen politischen Gegner angreifen zu können. Indem ich die Worte meines Gegners bewusst auf eine ganz bestimmte Weise interpretiere, kann ich es z.B. "nachweisen" (haha), dass er eine schlechte moralische Gesinnung hat, und dass ich daher der Überlegene bin und mit allen meinen politischen Anliegen Vorrang genießen sollte.

Was Kommunikation sein sollte, ist also stattdessen häufig nur ein Machtkampf. Und der Machtkampf mit der Sprache verläuft stets so, dass wir zu allererst damit beginnen, die Sprache starr zu machen – eben immer da, wo es zu unseren Gunsten ist.

Aber das ist irgendwie auch ein recht kindisches Spiel. Denn wir spielen dieses Spiel nicht nur so weit, wie es (manchmal eben) nötig ist, sondern wir übertreiben damit grundsätzlich. Wir treiben es gerne so weit, dass wir uns selbst darin verlieren, und uns immer wieder allen Ernstes auf den Standpunkt stellen, dass man hier oder dort nun wirklich nicht mehr anders denken kann, als wir es tun. Dieses Wort ist so zu interpretieren, dieses Wort so, – und am Ende kommt unsere einzig richtige Interpretation des Gesagten mit einer Notwendigkeit heraus als würde man eine Mathematik-Aufgabe lösen, und das haben bitte alle anzuerkennen. Das nenne ich kindliches Verhalten.

Und dann kommt folgender Schlachtruf auf: "Die Maske ist gefallen!" Spätestens jetzt ist die Maske "für jeden sichtbar" gefallen! Spätestens jetzt gibt es keine Ausrede mehr. Spätestens jetzt musst Du der AfD den Rücken kehren. Weil sie da vor uns liegen, diese beiden Worte "Hitler" und "Vogelschiss", und weil es hier überhaupt keine andere Deutungsmöglichkeit gibt als die unsere.

Was man hier im Grunde nur tut: Selbst-Bestätigung. Man konstruiert sich gedanklich Bestätigungen seiner eigenen Sichtweise, indem man sich vormacht, von seinem Gegner absichtlich oder unabsichtlich bestätigt worden zu sein.

Aber wie oft hat man schon einen solchen Sieg über die AfD ausgerufen? – "Demaskiert!", "Jetzt ist aber wirklich die rote Linie überschritten!", "Jetzt ist sie wirklich untragbar!", "Für jeden sichtbar" – Ich sage, dies hilft auch diesmal nicht, um mit dem "Problem AfD" fertigzuwerden. Denn letztlich sind alle Signale, die wir aussenden, in unserem Gegner nur so kraftvoll, wie er sie auch in sich hineinlässt.

Was anderes ist es natürlich, dass es heute immernoch Zeitzeugen und Überlebende der Shoa gibt, die aufgrund ihrer persönlichen Verquickung und traumatischen Erfahrung es nur schwer ertragen können, einen Satz wie "Hitler war nur ein Vogelschiss" zu hören. An diesem Punkt kann man Gauland natürlich einen Vorwurf machen, denn diese Menschen haben wirklich einen handfesten Grund für eine eventuelle Unfähigkeit, sich für die wahre Aussageabsicht zu interessieren, wenn sie mit bestimmten Bildern konfrontiert werden. Daher könnte ich das Urteil bejahen, dass Gauland sich unhöflich und unanständig verhalten hat – eben in Hinsicht auf diese besondere Gruppe. Aber es sollte für Außenstehende, also praktisch die gesamte Gesellschaft, nicht nötig sein, die Kontexte hier durcheinander zu schmeißen und Gauland die Aussageabsicht "Millionen getötete Menschen sind nur ein Vogelschiss" unterzuschieben. Das ist einfach nur affig, peinlich, triebgesteuert und unreflektiert.

Wie man sich auf Sprache stürzt und sich an jedem einzelnen Wort festhält:

https://twitter.com/dunjahayali/status/1003895192687120386





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Freitag, 27. April 2018

"Ich habe ja nichts gegen Ausländer, aber… "

"Ich habe ja nichts gegen Flüchtlinge, aber… "

"Ich habe ja nichts gegen Menschen, aber… "

 

Wir befinden uns in einer Situation, in der schon gewisse Formulierungsschemata an den Pranger gestellt werden. Wer ein Satz mit "aber" gebraucht, wie oben, der ist ein Menschenfeind! – diese Sitte scheint sich gerade herauszubilden, bzw. sie hat sich schon herausgebildet.

Ich finde das höchst problematisch, vor allem in Anbetracht der grundsätzlichen Funktion des Wortes "aber" – dient dieses Wort doch prinzipiell als Differenzierungsinstrument. Darf man folgern, dass der Mainstream eben kein Interesse an differenzierten Aussagen hat? Dass ihm Differenzierung überhaupt nicht so viel liegt, wenn es um Gut und Böse geht? – Bei der Moral hört der Spaß und die Toleranz für Andersdenkende auf. Und das ist ja auch irgendwie logisch, liegt in der Natur der Sache. Die Guten wollen die Bösen unterdrücken. Sie betrachten gerade das als ihre "gute Tat".

Aber: Den Menschen selbst, die dieses Wort "aber" in obiger Weise gebrauchen, tut man häufig Unrecht. Selbst, wenn man sich inhaltlich auf den Standpunkt stellt, dass sie da etwas Unausgegorenes von sich geben. In den meisten Fällen, wenn ein solcher Satz mit "aber" fällt, sehe ich einen guten Willen dahinter, ein aufrichtiges Bemühen, sich differenziert auszudrücken. Ich sehe keine Lüge im Anfangssatz "Ich habe ja nichts gegen XY…", sondern Ehrlichkeit. Und ich sehe Ehrlichkeit in dem, was danach kommt. Zuerst die positive Aussage, dann eine graduelle Einschränkung, die möglicherweise auch ein Ausdruck der eigenen Begrenztheit ist und ein Anmelden eigener Ansprüche und Bedürfnisse. Man ist nunmal nicht uneingeschränkt opferbereit.

Wer sich hier empören will, der kann sich immer auch über sich selbst empören.

 

Ich habe ja nichts gegen Menschen…

aber

so sehr ans Herz gewachsen, dass ich auf meinen nächsten Urlaub verzichte, oder auf meine Absicherung im Alter, oder mein neues Auto, meinen neuen Computer, mein eigenes Haus, meinen ausschweifenden Lebensstil, etc., etc., sind sie mir eben doch nicht. Gewiss könnte ich all mein Erspartes spenden – aber ich tue es nicht, weil meine Liebe begrenzt ist.

Für wen gilt dieser Satz nicht?

 

Ich finde, man sollte schleunigstens mit dieser neuesten Unsitte aufhören, diese Sätze mit "aber" grundsätzlich zu verteufeln. Das ist ja schon allein deswegen bescheuert, weil es die Schablonenhaftigkeit unseres Denkens und Urteilens verstärkt. Unser Denken ist schon schablonenhaft genug.

Aber die "Guten" von heute scheinen genau das zu wollen. Überall sollen klare Orientierungsmarken gesetzt werden, damit auch jedermann zu jederzeit weiß, wo gut und wo böse liegt. Es wäre ja auch viel zu anstrengend, jedes Mal genau zuzuhören und selbst nachzudenken, geschweige denn zu differenzieren. Wer das Böse bekämpfen will und seine Waffen auf die bösen Menschen abfeuern will, der braucht zuerst einmal eine klare Zuordnung von Gut und Böse.

 




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Freitag, 8. Dezember 2017

Zu den gröbsten Anzeichen unseres irgendwie schief gelagerten Zeitgeists gehört, dass es noch nichtmal eine prägnante, gesellschaftlich etablierte Ausdrucksmöglichkeit für die Einstellung gibt, "Fremde" einfach nur nicht zu "mögen" und sie nicht in der eigenen Nähe haben zu wollen, während man ihnen durchaus alles Gute der Welt wünscht. – Wer so etwas tut, ist per Definition nämlich "fremdenfeindlich". Es wird also ein "Feind" aus einem gemacht, bzw. jemand, der in den anderen Feinden sieht. Es wird "Feindlichkeit" unterstellt. Dies ist nicht nur eine sprachtypische Ungenauigkeit: An der Tatsache, dass diese eine Schublade "fremdenfeindlich" sowohl für mildere Formen verwendet wird als auch für die extremen Formen, bei denen Asylheime brennen, Menschen angegriffen und Hakenkreuze verbreitet werden, zeigt sich, dass überhaupt gar kein politisches und weltanschauliches Interesse daran besteht, hier auch nur ansatzweise zu differenzieren. Es wird suggeriert, dass es sich im Grunde um ein und dasselbe Phänomen handelt: Fremde nicht zu mögen und ihre Häuser anzuzünden. Hieraus spricht nicht nur der Unwille zur Differenzierung, sondern auch eine gewisse Stumpfheit in der Wahrnehmung von Emotionen. Man kennt keinerlei Grade und Unterschiede, keine unterschiedliche Qualitäten und keine Grautöne. Vor allem kennt man nicht den Unterschied zwischen "Nicht-Mögen" und "Hassen". Die offensichtliche Möglichkeit der Differenzierung wird durch eine sehr grobe Schubladenpraxis aktiv unterdrückt. Alles ist Fremdenfeindlichkeit und "Fremdenfeindlichkeit ist Menschenfeindlichkeit". Punkt.

So bleibt in der Sprache und im Denken praktisch nichts mehr übrig, um sich auch nur ausdrücken zu können. Abgesehen von langen, erklärenden Satzkonstruktionen gibt es kein griffiges Adjektiv, das eine "milde Form von Fremdenfeindlichkeit" ausdrückt – hier dient dieser Ausdruck auch nur als ungefähre Annäherung an das Gemeinte (s.o.).


Ein Mangel an Ausdrucksmöglichkeit, ein fehlender Ankerpunkt in der kollektiven Sprachmatrix, halte ich für grundsätzlich verdächtig. Insbesondere wenn er aktiv oder grob fahrlässig verhindert wird oder bewusst nicht gesucht wird. Für mich, der in "geistigen Dingen" sehr empfindlich ist, ist die Blockierung und Verhinderung von Ausdruck eine Ur-Kategorie von Verbrechen. Ein Mangel an Ausdrucksmöglichkeit ist immer ein Notstand, den eine geistige Gemeinschaft zu überwinden suchen sollte, egal welche politische Agenda davon profitieren würde. Ausdruck ist eines der kostbarsten Dinge für den Geist.

Der hier bestehende Mangel hat natürlich auch etwas mit der Geisteswelt der Allgemeinheit zu tun. Bzw. mit der Geisteswelt der Zeitungs- und Nachrichtenschreiber. Wenn an eine "milde und tolerierbare Form von Fremdenfeindlichkeit" noch nicht einmal geglaubt wird (geglaubt werden will, geglaubt werden kann), kann man sich sprachlich noch so um begriffliche Neuschöpfungen bemühen. Eine Kommunikation oder gar Spracherweiterung wird dann nicht stattfinden.

Die Kommunikation, die möglich sein sollte und hier gemeint ist, verlangt eigentlich nur ein Minimum an Gutgläubigkeit gegenüber dem Sender der Botschaft. Doch mir scheint, diese Gutgläubigkeit, dieses Glauben an das Gute, will partout nicht aufgebracht werden. Eine "gute (nicht-böse) Fremdenfeindlichkeit" will man nicht zulassen. Eine gute Gesinnung am Boden eines Menschen, der gegen (zuviel) Zuwanderung und (zuviel) Multikulti ist, will man nicht anerkennen und nicht beglaubigen.

Ein Grund für die Unwilligkeit, eine "nicht-böse Fremdenfeindlichkeit" sozial zu akzeptieren und ihr eine faire sprachliche Bezeichnung zu gönnen, besteht sicherlich auch in der Angst vor den Folgen. Man befürchtet, dass man die "böse Fremdenfeindlichkeit" dadurch stärken könnte. Man hat Angst vor einer Art "Dammbruch". Die Begleiterscheinungen von Pegida, tätliche Angriffe auf "Fremde", scheinen dies zu bestätigen.

Ich habe aber den Verdacht, dass auch das Gegenteil wahr sein könnte. Indem man die "nicht-böse Fremdenfeindlichkeit" ständig unterdrückt, nicht anerkennt und unfair und unsachlich einordnet, nährt man die Unzufriedenheit und den Hass in den Menschen. Unterdrückung ist per se nichts, was die Menschen glücklicher, ausgeglichener und zufriedener macht. Und die Form der Unterdrückung ist ja auch verflucht elementar. Sie ist verflucht gründlich. Sie setzt bereits im Geist und seinen Ausdrucksmöglichkeiten an. Sie wird im tendenziösen Gebrauch der öffentlichen Sprache und ihren undifferenzierten Kategorien und Werturteilen mitgetragen. Sie besteht in der offen direkten und subtil hintergründigen Verneinung des eigenen moralischen Seins. Sie besteht in dem tiefen und wirksamen Ausdruck moralischer Geringschätzung. Sie besteht in der Unverschämtheit, Signale zu senden wie "Du bist unmoralisch" oder "Du bist dumm".

Dass sich hier "Hass" aufstaut, erscheint mir nur logisch. Ein tiefer Instinkt fühlt sich unterdrückt, beleidigt, nicht akzeptiert und ungerecht behandelt. Und so könnte es durchaus auch sein, dass die negativen Begleiterscheinungen von Pegida nicht in erster Linie der "natürliche Ausdruck" von nicht weiter zu differenzierender "Fremdenfeindlichkeit" sind, sondern von aufgestautem Frust über die ständige Unterdrückung. Der "Fremde" wird dann vorrangig als Symbol dieser geistigen Unterdrückung und Fremdbestimmung im eigenen Lebensraum wahrgenommen – und das ist provozierender als alle "Fremdheit".




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