Freitag, 27. April 2018

"Ich habe ja nichts gegen Ausländer, aber… "

"Ich habe ja nichts gegen Flüchtlinge, aber… "

"Ich habe ja nichts gegen Menschen, aber… "

 

Wir befinden uns in einer Situation, in der schon gewisse Formulierungsschemata an den Pranger gestellt werden. Wer ein Satz mit "aber" gebraucht, wie oben, der ist ein Menschenfeind! – diese Sitte scheint sich gerade herauszubilden, bzw. sie hat sich schon herausgebildet.

Ich finde das höchst problematisch, vor allem in Anbetracht der grundsätzlichen Funktion des Wortes "aber" – dient dieses Wort doch prinzipiell als Differenzierungsinstrument. Darf man folgern, dass der Mainstream eben kein Interesse an differenzierten Aussagen hat? Dass ihm Differenzierung überhaupt nicht so viel liegt, wenn es um Gut und Böse geht? – Bei der Moral hört der Spaß und die Toleranz für Andersdenkende auf. Und das ist ja auch irgendwie logisch, liegt in der Natur der Sache. Die Guten wollen die Bösen unterdrücken. Sie betrachten gerade das als ihre "gute Tat".

Aber: Den Menschen selbst, die dieses Wort "aber" in obiger Weise gebrauchen, tut man häufig Unrecht. Selbst, wenn man sich inhaltlich auf den Standpunkt stellt, dass sie da etwas Unausgegorenes von sich geben. In den meisten Fällen, wenn ein solcher Satz mit "aber" fällt, sehe ich einen guten Willen dahinter, ein aufrichtiges Bemühen, sich differenziert auszudrücken. Ich sehe keine Lüge im Anfangssatz "Ich habe ja nichts gegen XY…", sondern Ehrlichkeit. Und ich sehe Ehrlichkeit in dem, was danach kommt. Zuerst die positive Aussage, dann eine graduelle Einschränkung, die möglicherweise auch ein Ausdruck der eigenen Begrenztheit ist und ein Anmelden eigener Ansprüche und Bedürfnisse. Man ist nunmal nicht uneingeschränkt opferbereit.

Wer sich hier empören will, der kann sich immer auch über sich selbst empören.

 

Ich habe ja nichts gegen Menschen…

aber

so sehr ans Herz gewachsen, dass ich auf meinen nächsten Urlaub verzichte, oder auf meine Absicherung im Alter, oder mein neues Auto, meinen neuen Computer, mein eigenes Haus, meinen ausschweifenden Lebensstil, etc., etc., sind sie mir eben doch nicht. Gewiss könnte ich all mein Erspartes spenden – aber ich tue es nicht, weil meine Liebe begrenzt ist.

Für wen gilt dieser Satz nicht?

 

Ich finde, man sollte schleunigstens mit dieser neuesten Unsitte aufhören, diese Sätze mit "aber" grundsätzlich zu verteufeln. Das ist ja schon allein deswegen bescheuert, weil es die Schablonenhaftigkeit unseres Denkens und Urteilens verstärkt. Unser Denken ist schon schablonenhaft genug.

Aber die "Guten" von heute scheinen genau das zu wollen. Überall sollen klare Orientierungsmarken gesetzt werden, damit auch jedermann zu jederzeit weiß, wo gut und wo böse liegt. Es wäre ja auch viel zu anstrengend, jedes Mal genau zuzuhören und selbst nachzudenken, geschweige denn zu differenzieren. Wer das Böse bekämpfen will und seine Waffen auf die bösen Menschen abfeuern will, der braucht zuerst einmal eine klare Zuordnung von Gut und Böse.

 




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