Mittwoch, 30. März 2022

Ich finde nicht, dass Will Smith notwendigerweise "falsch" gehandelt hat. Ich tendiere eher zu dem Urteil, dass er ein gutes Händchen bewiesen hat. Schließlich hat er Chris Rock keinen Zahn ausgeschlagen. Er hat ihm nur einen Satz warme Ohren mitgegeben und das ist aus meiner Sicht völlig im grünen Bereich. Zumal der Grund absolut verständlich ist.

Ich habe es schonmal gesagt: Auf manch einem Schulhof geht es schlimmer zu. Dort gibt es teilweise moralisch völlig desorientierte Kinder, die glauben, dass sie krasse, brutale Gangster sein müssen, ohne jede Gnade und Taktgefühl. Für solche Kinder wäre Will Smith ein gutes Lehrbeispiel. So sollt ihr sein! Ein großes Maß an Selbstbeherrschung haben! Ein strengen Ehrenkodex befolgen! Und wenn einem trotzdem mal "die Hand ausrutscht", dann sehr maßvoll, so wenig wie möglich, und niemals so, dass man seinem Gegenüber dauerhafte Verletzungen zufügt.

Dass Will Smith jetzt die gleiche, weichgespülte Leier von einer Welt aus "love and kindness" auspackt, ist für mich dann eher eine Enttäuschung. Das ist wieder dieses simplifzierte Schwarz-Weiß-Denken in Bezug auf menschliche Emotionen: Es gibt nur Liebe und Hass. Liebe ist gut. Hass ist böse. Und jedes Milligramm Aggression ist dem Hass zuzurechnen.

Mit anderen Worten: Die ganze Welt ist viel zu deutsch. Viel zu roboterhaft. Viel zu emotionsbehindert.




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Dass Problem dabei ist, dass die besagten "moralisch desorientierten Kinder" durchaus einen "strengen Ehrenkodex befolgen", einen Gangster-Ehrenkodex eben, wozu auch "Gnade und Taktgefühl" gehören, solange gesichert bleibt, dass sie selbst es sind, die bestimmen, wann Gnade und Taktgefühl angebracht sind.
Nein, wenn man Will Smith zugesteht, dass er auf der Oscar-Verleihung einfach zuschlagen darf, wenn es ihm sein persönliches Ehrgefühl empfiehlt, dann muss das auch für den ganz normalen Schläger auf dem Schulhof erlaubt sein.
... also, mir sind da ehrlich gesagt ein paar überindividuell verbindliche, roboterhafte Regeln lieber.

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Ich würde nicht so weit gehen, eine generelle Erlaubnis fürs "Zuschlagen" auszusprechen. Ich finde nur, dass man dies menschlich gut verstehen kann, wenn jemand mal die Beherrschung verliert. Und dass ein Satz warme Ohren zu den milderen Formen von Gewalt gehört. Wenn alle Welt nur fähig wäre, sich auf dieses Maß zu reduzieren, wären wir schon fast im Paradies. Zumal sich Will Smith später auch entschuldigt hat.

Ich bin mir auch nicht sicher, wie "erlaubt" der Witz über den Gesundheitszustand von Will Smiths Frau war. Ist das nicht auch Gewalt? (Wer setzt hier den Standard?)

Ich habe etwas ähnliches gerade im Privaten durch. Und ich bin tatsächlich der Meinung, dass manche Verhaltensweisen so häßlich sind, dass eine erzieherische Ohrfeige durchaus angemessen ist. Natürlich wäre es noch "besser", wenn man darauf verzichten kann. Allerdings kann ein kleiner Körper-Schock durchaus auch das Nachdenken anregen und vielleicht wäre es gerade für den Übeltäter überhaupt nicht "besser", wenn er seine wohlverdiente Ohrfeige verpasst? ?

Letztlich bin ich mir nicht so sicher. Ansonsten läuft es meist darauf hinaus, dass die Gegenaggression eine "kalte Aggression" ist: Anzeige erstatten und Bußgeld erwirken und sich dann darüber freuen, dass der Übeltäter tief in die Tasche greifen muss. Ist dieser Weg so viel besser?

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Ohne Zweifel war der Witz des Moderators völlig daneben. Aber die eigentlich Angesprochene, Smith` Frau, war ja anwesend und hat sich spontan entschieden, es bei einem genervten Augenrollen zu belassen - hätte Smith nicht diese Entscheidung seiner Frau tolerieren können?
Und ja, man kann verstehen, dass er überreagiert hat. Man kann seine Entschuldigung akzeptieren. Sollte man vielleicht sogar. Aber Verständnis zeigen, eine Entschuldigung annehmen heißt nicht, die Sache selbst gutzuheißen - sondern sie allenfalls zu verzeihen. Was falsch ist, ist falsch.

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