Freitag, 9. Februar 2018

Wo sind eigentlich all die Konstruktivisten hin? In der Philosophie begegnet man ihnen viel zu häufig. Dort tummeln sie sich ständig um das Thema "Wahrheit" herum und betonen stets, wie kompliziert es mit dieser sei, ja dass es sie praktisch gar nicht gäbe.

Nicht so in der Politik. Da ist die Welt voll von Vereinfachern und Schwarz-Weiß-Denkern. Die "Wahrheit" wird hier mitunter peinlich genau festgelegt. Die konstruktivistische Natur einer Aussage und ihrer Interpretation wird komplett außer Acht gelassen. Stattdessen wird sogar ein sozialer Zwang erhoben, sich der festgelegten Wahrheit anzuschließen. Bestes Beispiel derzeit: "Die AfD ist eine Nazi-Partei." Anhänger dieser Wahrheit halten es für ihre moralische Pflicht, an der unangreifbaren Stellung dieser Wahrheit in der Gesellschaft mitzuarbeiten. Sie tun es, indem sie sich selbst ganz stark von dieser Wahrheit überzeugt geben. Sie tun es, indem sie "glauben". Sie tun es, indem sie es immer wieder behaupten.

Damit ist das Spiel dann festgelegt: Die Guten sind die mit weißer Fahne, die Bösen sind die mit schwarzer Fahne (bzw. blauer Fahne). Und nun musst Du Dich zum richtigen Lager bekennen!

 

Konstruktivismus (0) des Himmelsreichs Schlüssel

"Und ich will dir des Himmelsreichs Schlüssel geben: alles, was du auf Erden binden wirst, soll auch im Himmel gebunden sein, und alles, was du auf Erden lösen wirst, soll auch im Himmel los sein." bibeltext.com

These: Die Bindungen und Nicht-Bindungen, um die es hier geht, sind die Assoziationen in unserem Kopf. Wir erschaffen/interpretieren/erkennen etwas und ordnen diesem etwas Eigenschaften, Namen, Qualitäten, Wertungen, Gefühle, Assoziationen zu. Wer diese Tätigkeit mit der Freiheit und Kraft seines "Geistes" ausübt, der ist der beste Verwalter der Realität und setzt die besten Maßstäbe. Die Gültigkeit der Bindungen reicht dann bis in den Himmel.

 

Konstruktivismus (1) Ehe

Die Ehe ist eine Realität, die existiert, weil wir daran glauben und uns entsprechend verhalten.

"Und hiermit erkäre ich Sie zu Mann und Frau."

(Es können nicht alle emotional mit der Homo-Ehe mitgehen. Wenn ja, ist das okay. Aber als Konstrukt ist die Homo-Ehe natürlich genauso gültig wie die Hetero-Ehe.)

 

Konstruktivismus (2) "Deutschland"

Staatsvolk, Staatsgebiet, Staatsrecht, Staatstraditionen, Kultur, Bräuche, Symbole, die Fahne, die Hymne… – plus der Glauben des Bürgers an (s)ein Deutschland.

 

Konstruktivismus (3) Ehe und Staat – äußere und innere Zwänge

Der Glaube an eine Ehe und der Glaube an einen Staat und ein Land sind im Grunde sehr ähnlich.

Dabei sollte klar sein: Es sollte niemand zwangsverheiratet werden. Weder mit einem Menschen, noch mit einer Nation, noch mit Ideen. – Es sollte auch niemand zwangsgeschieden werden. Wer seine Ehe liebt, sollte sie auch leben dürfen. – Ein innerer Zwang, der aufgrund eines aufgesetzten Glaubens an die Heiligkeit des "Bundes" fordert, unbedingt an diesem festzuhalten, ist natürlich ungesund. Ein solches Konstrukt ist dann wie vergiftet.

 

Konstruktivismus (4) Gruppen

AfD-ler, Muslime, Scientologen, Grüne, Flüchtlinge, Linke, Rechte, Deutsche, Türken, Europäer

– "vorgestellte Gemeinschaften"

Bezüglich vieler Menschengruppen gibt es die Konstrukteurs-Pflicht, sie genügend positiv zu konstruieren, oder zumindest nicht betont negativ ("Volksverhetzung"). Dies gilt allerdings nicht bei allen Gruppen…

 

Konstruktivismus (5) die wahre AfD, der wahre Islam

"Die AfD ist eine Nazi-Partei und der Islam ist eine Terror-Religion."

"Die AfD ist eine bürgerliche, liberal konservative Partei und der Islam ist eine Religion des Friedens."

 

Konstruktivismus (6) "die neue Rechte"

Demnächst auch: die allerneueste neue Rechte. Sie wird die größte, schönste und beste Rechte, die es je gab.

 

Konstruktivismus (7) Reichsbürger

Genies des Konstruktivismus!

 

 




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