Und das kann ich den Trans-Personen kaum verübeln. Erstens, haben sie in der Regel nicht wenig Leidensdruck zu tragen und können so kaum die natürliche Befangenheit einer gekränkten Seele abschütteln. Zweitens, ist die heutige Gesellschaft so meinungs- und haltungsschwach und so fixiert auf sexuelle Minderheiten, dass man Trans-Personen zumindest auf der Oberflächenebene kaum noch ein Kontra entgegensetzt -- oder sie gar bestärkt. Der Wahnsinn, der mich hier anfässt, geht also von der Gesellschaft aus, und nicht von den betroffenen Trans-Personen.
Es gibt in dieser Gesellschaft anscheinend auch kaum ein fundiertes Verständnis davon, was denn eigentlich das Wesen einer "Diskriminierung" ist. Nach meinem Verständnis ist "Diskriminierung" der unsaubere, empirisch nicht oder nur sehr eingeschränkt tragfähige Schluss von einem Oberflächenmerkmal auf ein anderes Oberflächenmerkmal. Also zB von "Frau" zu "kann nicht einparken". Da ich in meinem Leben noch nicht so viel Frauen kennengelernt habe, die dieses Klischee erfüllen, würde ich das also als Diskriminierung betrachten. Wäre es hingegen wahr und empirisch gut begründet, wäre es eben eine Wahrheit und keine Diskriminierung. Es ist also nicht ganz so einfach und es gibt in vielen Fragen sicherlich auch Graubereiche. Aber immer geht es um das Prinzip, dass man von einem Oberflächenmerkmal auf ein anderes schließt. Das Wesen der Diskriminierung ist die Oberflächlichkeit, das Unterlassen einer sorgfältigen Einzelfallprüfung, das Pauschalisieren und Aburteilen zugunsten einer geistigen oder auch praktischen Faulheit.
Bei der Trans-Frage aber geht es eigentlich um was anderes. Hier geht es darum, was eine "Frau" bzw. ein "Mann" ist. Hier geht es um die Definition eines Oberbegriffs. Und es geht um das Selbstbestimmungsrecht von Frauen und Männern. Nicht nur das Selbstbestimmungsrecht von Trans-Personen. In der speziellen Sichtweise einer Trans-Person mag es zwar genauso nur um eine "oberflächliche Zuschreibung" zwischen Genitalien und Geschlecht gehen, die für sie ein Diskriminierungsvorwurf begründet, aber diese Sichtweise müssen wir uns nicht zu eigen machen und vor allem kann man niemandem Vorschriften darüber machen, wie er sich bezüglich seiner Selbstdefinition zu verhalten hat. Wenn die Frauen von heute sich in der Mehrzahl so definieren, dass ihr Geschlecht nunmal eine Art von Körpertypus ist (und nicht Seelentypus), und dass dieser Körpertypus nicht änderbar ist, dann ist das ihr gutes Recht. Wenn die Frauen von heute sich dafür entscheiden, dass dieser Körpertypus eben das primäre, konstitutive Merkmal ist, das sie als "Frauen" ausmacht, dann ist das ihr gutes Recht. -- Hier etwas von "Diskriminierung" zu schwafeln, ist für mich ein Zeichen von Dummheit. Aber diese Dummheit ist so stark! Das Selbstbestimmungsgesetz, das diese grundsätzlichen Fragen unbehandelt lässt, ist noch nichtmal in Kraft! Doch der brutale und stumpf-ignorante Wille, die Selbstbestimmung der einen über die Selbstbestimmung der anderen zu stellen, wirkt jetzt schon.
https://www.siegessaeule.de/magazin/trans-frau-verklagt-mcdonalds-wegen-diskrimierung-am-arbeitsplatz/
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Ich guck gerne mal ein bißchen Heute-Show, auch wenn mich die ideologische Schlagseite oft nervt. Auf Youtube kann man sich ja immer schnell wegklicken, wenn es zu doof wird. Hier nun habe ich bis Minute 2:32 ausgehalten, und da dachte ich mir einige Sekunden später: Das muss sofort auf meinen Blog! Ich habe das lange nicht mehr in dieser simplifizierten Klarheit gehört!
Für den lieben Welke ist es also ein Widerspruch zu behaupten, "Hass ist mir fremd" und gleichzeitig keine Muslime mehr ins Land lassen zu wollen.
Aber das ist überhaupt kein Widerspruch, jedenfalls nicht zwingend! Wenn man die Begriffe und Phänomene "Hass" und "Liebe" ernst meint, und ihre Definition nicht politischen Interessen unterordnet, dann ist es ein absolut realistisches, psychisches Szenario, dass in ein und derselben Psyche keinerlei "Hass" gegen Muslime vorhanden ist -- ja, dass sogar "Liebe" da ist -- und gleichzeitig die Überzeugung gegeben ist, dass es unserem Land nicht gut tut, wenn noch mehr von ihnen einwandern. So einfach. So realistisch und doch so unsichtbar für den heutigen Gutmenschen.
Der Gutmenschen-Zeitgeist möchte "Hass" heute so definieren: Wenn man Menschen zurückweist. Das ist zwar ziemlicher Schwachsinn, den zu glauben von einer verminderten emotionalen Intelligenz zeugt. Aber so läuft das nunmal, wenn der Schwachsinn von allen möglichen Leuten um einem herum bestätigt wird. Der Mensch ist ein Herdentier und Massenpanik ist eben ansteckend. Das hier ist so eine Art Massenpanik in Slowmotion. Man glaubt, dass sich die Tore zur Hölle öffnen würden, wenn Muslime nicht mehr einwandern dürfen. Also kreiert man diese billige, abgedroschene und populistische Propaganda, in der "Liebe" immer "willkommen heißen" bedeutet, und "Hass" immer "ablehnen" bedeutet.
Folglich verliert man jede Fähigkeit zur Abgrenzung. Man findet sich wieder in einer Welt der totalen Entgrenzung. Sogar die Worte und ihre Bedeutungen verlieren an Schärfe. Und Trans-Frauen, die jetzt auch gerne die Umkleidekabinen für echte Frauen benutzen wollen, kann man auch nicht mehr zurückweisen.
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Ich bleibe erstmal bei meiner wortwörtlichen Interpretation des Offenbarungsverbots und bleibe daher entspannt. Das Offenbarungsverbot bezieht sich auf den (früheren) GeschlechtsEINTRAG. Wenn ich mich sprachlich also auf etwas anderes beziehe, geht der Paragraph ins Leere und ich muss kein 10.000€ Bußgeld befürchten. Ich darf also auch in Zukunft Tessa Ganserer noch einen "Mann" nennen, wenn ich denn meine, dass dies die genauere Beschreibung der Wirklichkeit ist. Mir doch egal, welchen Geschlechtseintrag Tessa Ganserer gehabt hat und haben wird. Vielleicht kann man in Zukunft ja auch mehrere gleichzeitig haben. Ist mir völlig schnuppe.
Natürlich bleibt ein kleiner Restzweifel, denn ich weiß um die unglaubliche Macht des Zeitgeists, und dass auch Richterhirne von diesen geistigen Strömungen nicht unbeeinflusst sind. Für einen normalsterblichen Menschen gilt jedenfalls, dass die Wirklichkeit und irgend ein "Eintrag" in irgend einem behördlichen Papier zwei verschiedene Paar Schuhe sind. Dieses Bewusstsein kann vielleicht ein bißchen leiden, wenn man sich zuviel juristische Bildung angetan hat, aber hey... die allermeisten Richter gehören ganz bestimmt immernoch zu den geistig Gesunden. Ganz bestimmt!
Udo Vetter, Rechtsanwalt und ziemlich bekannter Blogger, hat aber im August 2023, kurz vor der Verabschiedung im Kabinett, folgendes geschrieben... https://twitter.com/udovetter/status/1694019114954576078
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Die Begründungsweisen, mit denen man die bevorstehenden Schikanen für Impfunwillige rechtfertigt, haben für mich eine fast kindische Qualität: "Wir akzeptieren die persönliche Entscheidung, aber wer sich nicht impfen lassen möchte, der muss dann auch die Konsequenzen tragen."
So ähnlich könnte man auch die Todesstrafe für Vergewaltiger rechtfertigen. Man nennt die Strafe nur nicht Strafe, sondern z.B. "Automatismus" oder "Konsequenz". In einem Land, in dem für Vergewaltigung ein Todesautomatismus festgesetzt ist, weiß doch jeder Bescheid! Wer vergewaltigt, wählt gewissermaßen selbst den Tod. Und den Tod selbst wählen, das darf man. Also, wo ist das Problem? Es ist ja wirklich keine Strafe, sondern lediglich ein Automatismus, frei von Hass, Rachsucht oder Menschenverachtung. Das Leben kennt so einige Automatismen, an deren Ende der Tod steht, und wenn wir den ein oder anderen künstlichen Automatismus hinzufügen, dann ist das kein Ausdruck von Unmenschlichkeit, sondern im Gegenteil: Ausdruck einer Gesellschaft, die den Menschen in Freiheit und Eigenverantwortung würdigt.
Ich kann im übrigen fast nicht glauben, dass die Politiker ihr Das-ist-keine-Impfpflicht-Framing wirklich ernst meinen. Es ist mehr ein Säbelrasseln in der Hoffnung, dass dies noch ein paar mehr zur Impfung treibt.
…
Aus philosophischer Sicht halte ich es durchaus für eine gültige Sichtweise, einen "Todesautomatismus" nicht für eine "Todesstrafe" zu halten. Genauso wie ich es für eine gültige Sichtweise halte, die eine oder andere Schikane für Ungeimpfte nicht als Impfpflicht zu interpretieren. Auch ist es möglich, sich auf den Standpunkt zu stellen, dass das Glas halb voll anstatt halb leer ist.
Das Kindische liegt für mich in dem Umstand, dass sich ein Erwachsener jeweils auf die ein oder andere Sichtweise versteift in der absoluten Überzeugung, dass man im Besitz der einzig gültigen Interpretation ist.
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Doch die Realität scheint mir komplexer. Nicht der Hass ist das zu beklagende Kernproblem, sondern die damit zusammenhängende Möglichkeit, dass die Moral (die Haltung) unter dem Druck des Hasses zusammenbricht. Hass ist gewissermaßen ein Test für unsere Moral (Haltung). Weiter gefasst: Jede stürmische Emotion mit "negativen Komponenten" ist ein Test für unsere Moral.
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Vielleicht fange ich ja auch mal an, zu rappen. Meine Lyrics entwerfe ich dann vorher hier.
Oder noch besser: Ich lasse rappen. Ich bin so oder so der Meinung, dass viel zu viele (Pop-)Künstler viel zu viel lügen. Ständig müssen sie, um interessant zu wirken, in ihrer Kunst eine Lebenserfahrung und eine Gefühlstiefe vortäuschen, die sie nicht haben. Und ständig greifen sie dabei auf ausgelutschte Klischees zurück. Eine Allianz zwischen Künstlern und Philosophen scheint mir daher eine gute Sache zu sein.
Die Lyrics von Token habe ich noch nicht geprüft. Aber ich meine in seiner Selbstdarstellung eine gesunde Prise Selbstironie zu sehen. Die halte ich beim HipHop immer für die wichtigste Zutat. Ohne die wird mir ein HipHopper unerträglich.
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Um die Betrachtung der suboptimalen psychischen Grundsituation des Menschen annähernd komplett zu machen, muss noch die Feigheit erwähnt werden. (Diesmal komme ich wieder ohne Parteinahme für rechts oder links aus. Dieses Thema ist mir zu wichtig.)
Sie ist da. Wir haben zuviel davon. Und wir haben kein Erziehungssystem, das sie uns auszutreiben versucht.
Für mich ist das eigentlich etwas Unfassbares. Ich verstehe es nicht. Warum? Warum ist das so? Hat hier denn keiner eine tiefe Liebe zum Menschen? Zur Seele? Zu sich selbst?
Feigheit ist für mich per Definition eine "billige Angst", eine Angst, die wir nicht haben müssten. Die wir nur mit ein kleines bißchen Anstrengung, Konzentration und Härte gegen uns selbst überwinden könnten. Mit ein kleines bißchen Ermutigung von außen wäre auch schon viel gewonnen.
Aber der überwiegend materialistische Blick der Politik übersieht hier den Handlungsbedarf. Als Verschwörungstheoretiker könnte man jetzt sagen: "Die Politik will das starke Individuum ja auch gar nicht. So hat sie eine leichter zu lenkende Herde." Ich glaube aber, man hat es bisher schlicht vergessen. Bzw. das Thema ist noch nicht zu Bewusstsein gestiegen. Man schätzt die Innenwelt des Menschen noch nicht genug. Die Politik fühlt sich dafür noch nicht zuständig. (Doch das sollte sie.)
Bei der Lektüre der "Weißbücher" des Vereins Sterbehilfe Deutschland [1] [2] [3] [4] [5] ist es mir das ein oder andere Mal aufgefallen: 70-, 80 Jahre alte Menschen, die beim Rückblick auf ihr Leben davon berichteten, dass sie sich nicht getraut haben, aus der Kirche auszutreten! 70, 80 Jahre Entwicklungszeit waren nicht genug, um dies zu leisten! Um sich geistig zu emanzipieren. Um das Wagnis einzugehen, allein mit Gott zu gehen und keine weltliche Bestätigung nötig zu haben. Um endgültig mit der Kirche zu brechen. Um stärker und größer zu sein als der Käfig der konditionierten Psyche. – Ich urteile nicht über sie. Ich bin ja selber auch feige. Und schließlich waren alle diese Menschen mutig genug, bewusst in den Tod zu gehen. Aber erstaunt hat es mich schon.
Jedenfalls zeigt es auf, was ohnehin klar sein müsste: Feigheit ist in ihren Auswirkungen auch politisch. Ich schätze das Ausmaß sehr groß ein. Ein kollektiver Rückgang der Feigheit um 90% würde uns ganz andere Wahlergebnisse einbringen. All die "Bürgerlichen", die CDU wählen, weil sie schon ihr ganzes Leben CDU gewählt haben und schließlich gar nicht mehr anders können. Die schon aus einer allgemeinen Angst vor Veränderung immer lieber beim Alten und Bewährten bleiben und die sich an der peinlichen Vorstellung festhalten, dass die CDU christlich sei. Und sehr wahrscheinlich gäbe es auch paar mehr Prozente für die AfD. Denn es verlangt vielen Mut ab, ihr Kreuz dort zu machen. (Wer hier jetzt sagt: "Ist doch prima, wenn die Feigheit von heute wenigstens dafür gut ist, der AfD Wählerstimmen vorzuenthalten.", der begeht für mich eine Todsünde, denn für mich gibt es nichts Heiligeres als die Seele.)
Für mich implizieren all diese psychischen Unzulänglichkeiten des Menschen eine dramatische und fundamentale Infragestellung unserer "Demokratie". Mir ist die Sichtweise möglich, dass wir de facto gar keine Demokratie haben, denn eine Demokratie setzt den mündigen Bürger voraus, der nicht nur theoretisch frei denken und wählen kann. Es braucht ein Mindestmaß an geistiger Emanzipiertheit, um eine Demokratie bilden zu können. Es gibt auch keine echte Religionsfreiheit, wenn sich die Menschen doch nicht trauen, aus der Kirche auszutreten. Der Geist muss entwickelt sein. Sonst ist alles nur Quark und billiger Schein. Wir sind zwar schon etwas besser dran als vor 100 Jahren, als die Kirchen noch viel massiveren Einfluss auf unsere Köpfe, Moralen und unser Gewissen hatten, doch wir haben noch ein gutes Stück zu gehen. – Ich warte noch auf die Partei, die sich das mal ins Programm schreibt.
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Mein "Glauben", meine Welt-Vorstellung und mein Welt-Bild, orientiert sich sehr stark an der radikal spirituellen Perspektive, die die Welt und uns selbst zu einem Traum erklärt. Ich glaube, dass in diesem Bild ein sehr hohes Maß an Wahrheit liegt.
Es ist mir daher eher fremd, über die Themen "Ich", "Wir", "individuelle Seele", "Geist" und "Kollektiv" zu diskutieren, als müssten wir erst die Frage klären: Sind diese Dinge real? Nach allgemeiner, esoterischer Erleuchtungslehre träumen wir das "Ich" letztlich auch. Wir alle, die wir letztlich zusammen Gott sind. Es spielt also keine große Rolle, ob wir uns ein "Ich" oder ein "Wir" erträumen. Alles ist Illusion und alles ist Realität.
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Es ist im Traum ohne weiteres möglich, ein im Traum Handelnder zu sein, und gleichzeitig nicht durch seine Augen hindurch am Traum teilzunehmen, sondern z.B. aus einer Beobachterposition, als würde man an der Decke des Zimmers schweben, in dem die Handlung stattfindet. Man schaut da auf einen Menschen wie in einem Theaterstück und ist doch gleichzeitig die Seele, die mit dieser Erscheinung verbunden ist. Man ist auf tiefe Art und Weise "identifiziert" ("identisch", gleich…). Und man erlebt diese Realität direkt in seinem Geiste, im Bewusstsein. Es ist ein direktes "Wissen".
Es ist für das menschliche Bewusstsein ein leichtes, seine Ich-Idee über sich selbst hinaus auszubreiten. Außerdem können sich auch die tieferen Anteile des menschlichen Bewusstseins fühlend und liebend mit anderen Menschen substantiell vermischen. Dieses Phänomen sollte jeder zumindest aus einer Liebesbeziehung kennen oder aus einer engen Freundschaft. Hier kommt es meiner Meinung nach nicht selten zu Anflügen von Telepathie. Diese basiert meiner Meinung nach auf einer real energetischen Verbindung unserer Bewusstseine.
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Der Streit zwischen "rechts" und "links" in dieser Gesellschaft ist zu großem Teil ein Streit um das "Wir". Man streitet darüber, wie dieses "Wir" genau beschaffen sein soll, welche Kriterien hier relevant sind, und auch gerne darüber, ob dieses "Wir" überhaupt real ist. Man streitet darüber, welchen "Wir"-Traum man träumen darf und welchen nicht. Der gegenwärtige Zeitgeist erklärt vor allem "rassistische", "völkische" und "nationalistische" Wir-Bildungen zu den "bösen" Träumen.
Für mich hat diese ganze Streiterei eine sehr seltsame Qualität. Das ganze Thema ist für mich zu weit im Geistigen, Subjektiven und Persönlichen zuhause, als dass ich mir erlauben würde, anderen etwas über erlaubte oder unerlaubte Wir-Bildungen zu erzählen. Für mich ist das immer eine Sache der persönlichen Wahl. Der Ich-Gedanke ist für mich prinzipiell von elementarer Unschuld und genauso ist es der Wir-Gedanke, der ja im Grunde fast das selbe ist, in jedem Fall ein Gedanke von persönlicher Qualität. Ich schreibe niemandem ein Ich-Bild vor und ich schreibe niemanden ein Wir-Konzept vor. Dies ist für mich sogar moralisch geboten. In meinem Geist meldet sich ein ziemlich deutliches: "Das macht man nicht. Das ist unfein. Das ist ein Eindringen in das Hoheitsgebiet von anderen Menschen." Ich sage Dir nicht, welche Smartphone-Farbe am besten zu Deiner Persönlichkeit passt, ich sage Dir nicht, welches Verhältnis Du zu Deinem Körper haben sollst, und ich sage Dir nicht, ob Du Dich in einem völkisch-nationalen Kollektiv (oder sonstigen) zuhause fühlen darfst oder nicht. Ich habe vielleicht die ein oder andere Empfehlung, aber niemals greife ich in Deinen psychischen Haushalt hinein und sage Dir, was Du in Bezug zu Dir selbst glauben sollst oder darfst.
Der Zeitgeist aber ist hier vollkommen anders eingestellt. Er bietet in manchen Bereichen eine geradezu fanatische Identifikationsfreiheit, wie z.B. neuerdings im Bereich der geschlechtlichen Identität mit bis zu 50(?) Geschlechtern bei facebook. Doch wenn es um das Wir geht, ist dieser Zeitgeist so restriktiv, dass er sogar schon wieder eine faschistoide Qualität hat. Die Moralisierung und Verurteilung der als "böse" betrachteten Wir-Bildungen ist so stark, dass der Respekt gegenüber dem individuellen Geist und der persönlichen Freiheit auf der Strecke bleibt. – Auch das ist eine grundsätzliche Note des Zeitgeists, hier allerdings reden wir über einen zeitlich viel größeren Bogen, über eine Mode, die uns schon seit Jahrtausenden quält: Es gibt schon seit dem Aufkommen der Religionen und ihren faschistoiden Glaubenszwängen, gestützt von ultimativen Drohungen, keinen tiefen Respekt vor dem Geist des Menschen. Nichts ist ja für den freien Geist eine größere Zumutung als: "Du sollst glauben…"; und wir dulden solche Zumutungen immernoch als seien sie normal – und nicht ur-faschistisch.
Es wäre schön, wenn man den Zeitgeist so deuten könnte, als würde man sich einfach mal intensiv dem "Ich" widmen wollen und daher alles, was zuviel auf ein "Wir" hinausläuft, ablehnt. Wenn der Zeitgeist sozusagen die tiefschürfende, spirituelle Selbst-Erkenntnis und die individuelle Freiheit fördern würde. Aber so konsequent ist er dann eben doch nicht. So tief motiviert ist er nicht. Eher geschieht alles aus einer mehr oder weniger glücklichen Verkettung von Gedankenprozessen, welche von sehr starken Heil-und-Unheil-Bewertungen gelenkt, bzw. hin- und hergeschubst, werden. Hierbei ist natürlich auch jede Menge Angst im Spiel, auch vorausgreifend. Auf einen Weg zu geraten, der vielleicht ins Unheil führen könnte, muss unbedingt vermieden werden. Also wird die Freiheit zur Not eben auch ein bißchen zuviel beschnitten. Besser zuviel als zuwenig.
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Für mich ist die freie Wir-Bildung ein Elementarrecht, so wie die Meinungsfreiheit oder das Recht auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit. Im Grunde geht es hier ja jedes Mal um die gleiche Freiheit: die Freiheit des Geistes.
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http://www.zeno.org/nid/20009250506
Das intellektuale Gewissen. – Ich mache immer wieder die gleiche Erfahrung und sträube mich ebenso immer von neuem gegen sie, ich will es nicht glauben, ob ich es gleich mit Händen greife: den allermeisten fehlt das intellektuale Gewissen; ja es wollte mir oft scheinen, als ob man mit der Forderung eines solchen in den volkreichsten Städten einsam wie in der Wüste sei. Es sieht dich jeder mit fremden Augen an und handhabt seine Waage weiter, dies gut, jenes böse nennend; es macht niemandem eine Schamröte, wenn du merken läßt, daß diese Gewichte nicht vollwichtig sind – es macht auch keine Empörung gegen dich: vielleicht lacht man über deinen Zweifel. Ich will sagen: die allermeisten finden es nicht verächtlich, dies oder jenes zu glauben und darnach zu leben, ohne sich vorher der letzten und sichersten Gründe für und wider bewußt worden zu sein und ohne sich auch nur die Mühe um solche Gründe hinterdrein zu geben – die begabtesten Männer und die edelsten Frauen gehören noch zu diesen »Allermeisten«. Was ist mir aber Gutherzigkeit, Feinheit und Genie, wenn der Mensch dieser Tugenden schlaffe Gefühle im Glauben und Urteilen bei sich duldet, wenn das Verlangen nach Gewißheit ihm nicht als die innerste Begierde und tiefste Not gilt – als das, was die höheren Menschen von den niederen scheidet! Ich fand bei gewissen Frommen einen Haß gegen die Vernunft vor und war ihnen gut dafür: so verriet sich doch wenigstens noch das böse intellektuale Gewissen! Aber inmitten dieser rerum concordia discors und der ganzen wundervollen Ungewißheit und Vieldeutigkeit des Daseins stehen und nicht fragen, nicht zittern vor Begierde und Lust des Fragens, nicht einmal den Fragenden hassen, vielleicht gar noch an ihm sich matt ergötzen – das ist es, was ich als verächtlich empfinde, und diese Empfindung ist es, nach der ich zuerst bei jedermann suche – irgendeine Narrheit überredet mich immer wieder, jeder Mensch habe diese Empfindung, als Mensch. Es ist meine Art von Ungerechtigkeit.
Das intellektuale Gewissen hat keiner. Ich auch nicht immer. Aber ich glaube, ich darf sagen: Ich verstehe Nietzsche. Er ist irritiert, von all der Sorglosigkeit im Umgang mit Wahrheit, Wirklichkeit, Wert, Moral und Urteil. Da ist keine tiefe Leidenschaft in der Berührung der Wirklichkeit. Es herrscht dagegen reichlich Stumpfsinn in unser aller Geist. Der wirkliche Wert der Dinge interessiert uns wenig. Uns reicht eine mechanische Scheinwelt und ihre Eigendynamik.
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Dies, um mal ganz weit auszuholen, bezüglich der Frage, wie es eigentlich um unsere Fähigkeit zur Objektivität, Neutralität und Unparteilichkeit steht.
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Will der Mensch überhaupt Objektivität und Neutralität?
Ich stelle mir diese Fragen vermehrt, seitdem ich diesen Blog hier führe und seitdem ich mich zumindest auf Twitter ziemlich umfassend an die "rechte Blase" angeschlossen habe (aber nicht nur). Ich meine, ich darf auf eine hartnäckige Gespaltenheit der Gesellschaft schließen, denn fast nirgends sehe ich Ausgewogenheit, nirgends sehe ich Brückenbauer, fast nirgends höre ich mal ein paar selbstkritische Töne. Doof sind immer nur die anderen. Chemnitz ist entweder ein weiteres Zeichen für die "unverantwortliche Flüchtlingspolitik" der Kanzlerin, oder es ist der rechte Albtraum mit "Hetzjagden" und "Progrome"…
Wir können uns noch nichtmal richtig darüber einig werden, was in diesem Video von Antifa Zeckenbiss zu sehen ist. Ein Video, perfekt reproduzierbar und für uns alle eigentlich "gleich" wahrnehmbar!
Wie schlimm ist das, was wir dort sehen? Wie häßlich ist es? Welchen Titel hat dieser Vorfall am besten verdient?
Ich habe versucht, mich ins Juristische zu flüchten: "Androhung einer Straftat (Körperverletzung)" – was für sich erstmal nur eine Ordnungswidrigkeit ist. Aber das gibt es auch nicht wirklich gut wieder. Diese Art von "Verstehen" kommt dem Menschen nicht genügend nah und lässt auch einiges an Qualitäten unter den Tisch fallen.
Aber ich finde wirklich – ganz ehrlich und ohne böse Verharmlosungsabsicht –, dass Begriffe wie "Jagd" oder "Pogrom" mindestens eine Liga zu hoch gegriffen sind.
Und so tendiere ich schon allein aus dem Bestreben heraus, für "Ausgleich" zu sorgen, zu milderen Bewertungen. Ich sage mir: "Immerhin wurde dort keiner zu Boden gebracht und dann mit Fußtritten ernsthaft verletzt." Und mit ein bißchen Zynismus: "Im Grunde ist das doch schon fast vorbildlich. Da geht es auf manchem Schulhof schlimmer zu. Dort wird nicht immer von einem Opfer abgelassen, sobald es am Boden liegt oder wegrennt." Ich denke sogar an Zidanes Kopfstoß, der in dieser Hinsicht ja auch vorbildlich war.
(Dies auch um zu demonstrieren, wie anders man denken kann – wenn man es nur will…)
Für mich zeigt das Video von Antifa Zeckenbiss im Grunde eine schnell "abgebrochene Attacke". Nicht mehr und nicht weniger.
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