Mittwoch, 6. Juni 2018

… kommt für mich vom Spiegel: Hier wird einem nämlich genauer erklärt, was ein Vogelschiss ist...

Man fühlt sich fast wie bei einem Kindermagazin, das vielleicht "Logo" heißt / heißen könnte. Der nette Spiegel erklärt uns, wie wir Sprache richtig verwenden, welche Assoziationen hier im Standardmodell der Vernunft zugelassen sind, und warum also die gedankliche Verbindung von "Hitler" und "Vogelschiss" falsch ist.

Danke Spiegel! Ohne Dich hätte ich das wahrscheinlich nicht auf die Reihe bekommen! Na klar, spätestens bei der Darlegung der Weg-Wisch-Metapher ist mir klargeworden, dass "Vogelschiss" kein gutes Attribut für das Phänomen Hitler ist! Mit Deiner Erklärung kann ich nun 2 +2 richtig ausrechnen! Und natürlich hast Du auch Recht in deiner Grundhaltung, dass Sprache gewissen Regeln zu folgen hat, und dass da nicht irgend welche Individuen daher kommen können, die für sich nach anderen Regeln spielen. Sprache ist Eigentum des politisch korrekten Mainstreams! Alles andere würde die Sache ja auch viel zu kompliziert machen. Wir wollen Sprache ja auch sekundär– oder primär? – dazu verwenden, um unser Meinungs-Revier abzustecken, um unsere Gesinnungs-Zugehörigkeit und unseren Gehorsam unter die herrschende Moral der Zeit nach außen hin erkennbar zu machen (– um uns scheinbar zu "zeigen" – innerhalb eines stark degenerierten, moralischen Affentheaters, in dem das Bekenntnis zu den "Guten" nie etwas kostet…). Und dafür brauchen wir schon ein paar einfache, eindeutige Zuordnungen von Erkennungsmerkmalen. Und da es ja um mindestens die zwei Mannschaften "gut" vs. "böse" geht, und da ja so wahnsinnig viel davon abhängt, diese beiden Lager zu jederzeit erkennen zu können – dafür brauchen wir eben Standardregeln, die für alle gelten. Die Assoziation "Hitler" und "Vogelschiss" ist falsch. Punkt. Was anderes behaupten nur böse Menschen oder Geisteskranke mit fehlerhaftem Assoziationsmodul in ihrem Kopf. – Denn der Mainstream ist der Weg, die Wahrheit und das Leben. Und die richtige Meinung. Amen.

Man versuche mit mir zu fühlen: Diese öffentlichen Versuche der Sprach- und Meinungsnormierung schlagen mir auf den Magen. Ich fühle mich hier neben dem Kinderkanal im Fernsehen noch an Militär-Drills erinnert, an eine sehr häßliche Seite von real existierender Militär-Un-Kultur: Wenn sich die Vorgesetzten erlauben, ihren Untertanen nicht nur äußere Handlungen aufzuerlegen, sondern ihnen auch noch die Hörigkeit und Unterordnung im Geiste abverlangen, wenigstens dem Anschein nach: Sie sollen z.B. gewisse Dinge ausrufen, die eigentlich ein Ausdruck von Emotionen und persönlicher Überzeugtheit sind. Z.B. sollen sie "Schade!" ausrufen, wenn sie Freitag Nachmittag in das Wochenende entlassen werden. Dadurch wird die Unterwürfigkeit des Soldaten noch eine Stufe tiefer getrieben. Im militärischen Hörigkeits-Absolutismus ist die eigene Meinung des Soldaten eben so total egal, dass sich dazu auch leicht eine Portion Respektlosigkeit vor der Soldaten-Meinung gesellt, und damit auch vor dem Individuum an sich. Man will auch noch das Lächeln befehlen, wenn der Soldat seinen Befehl erhält, und betritt hiermit eigentlich eine Zone von Erniedrigung und "psychischen Hausfriedensbruch", die sich Menschen untereinander grundsätzlich nicht antun sollten, auch im Militär nicht. – – – Man vermutet vielleicht noch, dass die Befehlshörigkeit dadurch noch etwas besser abgesichert wird: Je weniger Individualität, je weniger individuellen Kern, desto besser! Das ist aber das ur-faschistische Element überhaupt! Der Zwang bereits im Denken. Das Brechen aller Individualität. Das Eindringen in die inneren Zonen des Menschen. Die Gleichschaltung – neben dem äußeren Verhalten – auch im Geiste. Die Gleichschaltung vor allem im Geiste. – Übrigens glaube ich, dass das Militär dieses Element überhaupt nicht nötig hätte. Man könnte auf diese Übertreibung in der Befehls-Kultur locker verzichten und den einzelnen Soldaten in seiner Individualität durchaus mehr würdigen. Dieser zollt es seinem Land dann vielleicht mit tieferer Dankbarkeit, Idealismus und Treue. (Gedanken von jemandem, der nie beim Militär gewesen ist.)

Wer sich an Sprache vergreift, und die ihm zur Verfügung stehende Macht dazu verwenden will, Sprach- und Meinungsnormen allgemeinverbindlich zu etablieren – unter Androhung von Sanktionen wie z.B. der der sozialen Ausgrenzung und / oder eines Karriereknicks –, der betreibt vom Prinzip her nichts anderes wie der gerade beschriebene, faschistoide Typus von Vorgesetzten im Militärapparat. Auch wenn es um eine sehr viel schwächere Form des Zwangs und einen sehr viel schwächeren Versuch von "psychischen Hausfriedensbruch" geht. Der prinzipielle Versuch des Eindringens in andere Köpfe liegt vor. Du sollst Sprache "richtig" verwenden und Du sollst "richtig" denken…

Aber gut, bis zu einem gewissen Grad, stecken wir alle in diesem "schmutzigen Geschäft" mit drin. Denn auch wir versuchen ja "unseren Senf dazu zu geben" – so wie ich gerade –, und natürlich tun wir das auch mit der Absicht, dass sich etwas in den Köpfen der anderen verändert, hin zu einer Denkrichtung, die wir eben für richtig halten. Aber es gibt hier qualitative Unterschiede, je nach Einsatz der Mittel, ob man sich an kollektiver Hetze beteiligt oder nicht, ob man an einer gesamtgesellschaftlichen Ausgrenzung für Andersdenkende, Anders-Assoziierende und Anders-Sprechende mitwirkt oder nicht.

Die starken Tendenzen zur Sprachnormierung gehen jedenfalls mit einer Tendenz zur Überrationalität einher. Und dies geht wiederrum mit einer Tendenz zur Erstarrung der Sprachintelligenz einher. Sprache wird – entgegen ihrer Natur – zu etwas Statischem. Sie wird immer weniger etwas Flüssiges, das man je nach Kontext zu interpretieren hat. So blockiert der Mensch in sich Kommunikationsfähigkeiten, die eigentlich völlig natürlich und selbstverständlich sind, wie z.B. der spielerische Umgang mit Widersprüchen und Ironien. Und er weiß eigentlich auch, dass gewisse Aussagen nur in Hinsicht von bestimmten Teilaspekten anzuwenden sind. Für mich war es jedenfalls klar, dass Gauland mit seiner Vogelschiss-Aussage nicht meinte, dass es ein "Vogelschiss" sei, wenn 5 Millionen Juden ermordert werden. Das meinte er einfach nicht. Aber die Sprachlogik-Brutalisten des Mainstreams können wohl nicht mehr anders, als ihm diese Teilaussage unterzuschieben. "Weil es ja logisch ist, so wie 2+2 = 4." – Leidet man vielleicht an Autismus? Oder es ist nur das: Man lässt an seinem politischen Erzfeind grundsätzlich kein gutes Haar und glaubt schon aus taktischen Erwägungen nicht an das Gute in ihm.

Das Kampf um das Gute nach eigener Vorstellung ist ein großes, schmutziges Hauen und Klauen, in dem jede Unfairness erlaubt ist. – Kann das dem "Guten" wirklich dienen? (Kann es teilweise, temporär, dem "Guten" dienen oder ist es sogar ein völliger Holzweg?)





... link (0 Kommentare)   ... comment