Samstag, 1. Juni 2019

Ich bleibe bei diesem Thema meinem Grundsatz treu, dass ich Ausdruck, Symbolik und Sprache nur dann versuche, objektiv zu "fixieren", wenn es mir wirklich aus ernsten Gründen geboten scheint.

An anderer Stelle poche ich ja auch auf meine persönliche Ausdrucksfreiheit, wenn ich z.B. Lust darauf habe, dass Wort "völkisch" rein denotativ und nicht wertend als Adjektiv zu Volk zu nutzen und die Assoziationen bezüglich Hilter und Nationalsozialismus für nicht verbindlich zu halten.

Daher habe ich auf abstrakter Ebene eine grundliberale Haltung zum Kopftuch: Es lässt sich keine objektive Wahrheit dazu aufstellen, wofür es "wirklich" steht. Man muss es in jedem einzelnen Fall neu ergründen, welche Gedanken und Kräfte dahinter am Werk sind.

Diese Liberalität erscheint mir auch geboten, weil Ausdruck in 99% aller Fälle immer auch ein hoch individueller Prozess ist. Und der dabei genutzte Mechanismus ist schlicht die psychische Assoziation, die "Verlinkung", die Zuordnung bzw. Abbildung. Und dieser Mechanismus ist absolut flexibel, was ja irgendwie auch das Tolle ist. Mit welchem Wort ich vom Gedanken auf das Phänomen zeigen möchte, ist allein meine persönliche Wahl, zumindest wenn wir über Ausdruck reden und nicht über Kommunikation. Man kann "Äpfel" und "Birnen" eben wirklich vertauschen, wenn man da Lust drauf hat. Aufgrund dieser Relativität in allem Ausdruck gibt es auch keine Möglichkeit zu sagen, wofür das Kopftuch "wirklich" steht (ebenso: Das Wort "völkisch"…). In einem Fall kann das Kopftuch für Unterdrückung und Unterwerfung stehen, im anderen Fall kann es für genau das Gegenteil stehen und Emanzipation ausdrücken.

Es gibt zwar ein paar Möglichkeiten hier auf ein gewisses Maß von Objektivierung zuzustreben, aber diese scheinen mir letztlich einfach nicht zwingend genug. So ist das Argument, dass die Frauen im Iran gerne ohne Kopftuchzwang leben würden, zwar schon irgendwie bedrückend – aber es gibt eben keine Pflicht dazu, die Solidarität mit diesen Frauen eben durch den Verzicht auf das Kopftuch überall in der Welt auszudrücken. Oder das Argument, dass der eigentliche Grund für die weibliche Verhüllung doch eigentlich ein ziemlicher beschissener, primitiver Grund ist: Der Mann soll vor zu vielen Reizen geschützt werden… Wie krank ist das denn bitte? – Das ist gewiss auch kein schlechtes Argument, aber es ist eben auch nicht so zwingend, als dass es alle Möglichkeiten ausschließen würde, in denen das Kopftuch eben doch auch ein Ausdruck von Emanzipation ist.

Es erscheint mir also von vorn herein ausweglos, hier irgendwelche Argumente zu finden, die die eigene Lieblingsvorstellung von Symbolinterpretation zu einer objektiven Norm erhebt, der sich dann alle anpassen müssen. Und so finde ich es auch ziemlich albern, wenn man das überhaupt nur versucht. Wozu alle Streiterei über die "wirkliche" Bedeutung? Ob sich Professoren darüber streiten oder Imame, Muslime, Ex-Muslime oder Feministinnen hat im Grunde keine Relevanz. Dafür ist eben jedes Individuum zu sehr Individuum und darf seine eigene, persönliche Wahrheit dazu haben.

"Objektive" Überlegungen zum Kopftuch scheinen mir an anderer Stelle sinnvoller:

1. Der Mensch hat ein Hang dazu, das, was er ständig verstecken soll, mit Schuld und Scham in Verbindung zu bringen. Zumindest gilt dieser Zusammenhang in umgekehrter Richtung: Wenn wir uns schuldig oder beschämt fühlen, neigen wir dazu, uns bzw. unser Fehlverhalten zu verstecken. Ich glaube allerdings, dass dieser Mechanismus eben auch in beide Richtung wirkt, einfach weil das so nah beieinander liegt. (Vielleicht entwickeln wir als Kinder erst ein Schamgefühl für unsere Sexualität, weil uns beigebracht wird, dass man seine Genitalien im allgemeinen verstecken soll?) – So kann eine Kopftuch tragende Frau möglicherweise auch ein Schamgefühl bezüglich ihrer Haarpracht entwickeln und das ist aus meiner Sicht nicht unbedingt von Vorteil. Psychisch hat das eher Krankheitswert. Der Mensch muss im allgemeinen nicht das Sich-Verstecken üben, sondern das Sich-Zeigen.

2. Der Kontext dieser vermeintlich "islamischen" Tradition ist katastrophal. Denn der Islam ist eben eine Glaubensreligion und diese Art "Religionen" sind aus meiner Sicht der größte Griff ins Klo seit Menschen denken können. Muslime leiden eben zum Teil unter all den Krankheiten, unter denen auch brave Kirchenchristen leiden bzw. gelitten haben (heute wohl etwas weniger als früher, aber es gibt bestimmt noch einige): Angst vor einem grausam strafenden Gott, Angst vor der Hölle, Angst vor seelischem Tod oder ewiger Folter. Und so muss man wohl leider annehmen, dass viele Muslima ihr Kopftuch eben um einen Kopf hüllen, der diesen zutiefst ungesunden, quälenden und menschenfeindlichen geistigen Müll beherbergt. Darüber zu sprechen scheint komischerweise niemand für notwendig zu halten. Ich habe schon mehrfach Interviews mit Muslima im Fernsehen geschaut, und auch entsprechende Zeitungsartikel gelesen, in denen die Frauen eben von ihrer Angst vor Gott berichtet haben. Diese können das Kopftuch gar nicht mehr abnehmen. Weil sie Angst haben. Vielleicht wird Gott mit ihnen nach dem Tod nicht gnädig sein?…

Wenn ich eine Kopftuch tragende Frau sehe, dann stelle ich mir vor allem diese Frage: Hat auch sie Angst vor Gott? Ist auch sie von all diesen düsteren Gedanken geplagt? Da man wohl davon ausgehen muss, dass dies für einen gehörigen Prozensatz zutrifft, vielleicht sogar die deutliche Mehrheit, sehe ich das Kopftuch im allgemeinen nicht gern. Es ist ja mindestens Zeugnis davon, dass diese Glaubensreligion in diesem Kopf in irgend einem Maße lebendig ist. Und das ist aus meiner Sicht etwas zutiefst Tragisches, Problematisches und also Bedauernswertes.

Die gesamte Auseinandersetzung mit dem Islam sollte aus meiner Sicht an dem Punkt ansetzen, dass er eine auf den Glaubensglauben überfixierte Glaubensreligion ist, und dass das etwas höchst Fragwürdiges ist, gerade auch in Hinblick darauf was da alles "geglaubt" wird. Dies müsste uns "christlich kultivierten" Menschen dann natürlich auch dazu treiben, dass wir unsere eigene Glaubensreligion kritischer betrachten und uns um glaubenskranke Menschen in den "eigenen" Reihen kümmern.

In der Praxis, ob nun an Schulen, am Arbeitsplatz oder sonstwo, würde ich eine Kompromisslinie vorschlagen: Streiten wir uns weniger darüber, ob ein Kopftuch erlaubt sein sollte oder verboten gehört. Fordern wir die Kopftuch tragende Muslima öfter mal heraus, indem wir sie darum bitten, das Kopftuch wenigstens ab und zu abzunehmen: Z.B. eine Woche im Monat, oder einen Tag in der Woche, oder fifty-fifty Woche für Woche. Das wäre gerade für Lehrerinnen ein ganz sinnvolle Praxis, weil sie in ihrer Vorbildfunktion dann gleich etwas ganz Wichtiges transportieren würden: Man muss es mit der Religion nicht immer so todernst nehmen. Man kann auch religiös sein, ohne Angst vor einem engstirnigen, faschistoiden Gott zu haben. – Diejenigen Muslima, die sich auf diesen Kompromiss partout nicht einlassen wollen, die sind allerdings ein Verdachtsfall für Fanatismus, Dogmatismus und Angsterkrankung. Also für einen psychischen Zustand mit Krankheitswert.


https://twitter.com/SeyranAtes/status/1134379758047899649 :
Für viel zu viele Mädchen und Frauen gilt: "Ich werde nicht als vollwertiger Teil meiner Gemeinschaft anerkannt – #NichtOhneMeinKopftuch."


https://twitter.com/AliCologne/status/1134540042322489344 :
Das Kopftuch/die Hijab bedeutet keine Diversität, sie teilt Muslimas in gute mit Kopftuch und schlechte ohne Kopftuch auf. Denn nach ihrem Verständnis sind Frauen mit Kopftuch moralischer als die ohne. Die Männer wollen Muslime Spalten. Es sind Islamisten mit einer Agenda.



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