Sonntag, 8. März 2020

Ich kann mir 100x sagen, dass es keinen logischen Grund gibt, mich für irgend eine Trivialität zu schämen – ich schäme mich doch. Z.B. lasse ich es zu, dass mich ein häßlicher Pickel im Gesicht stimmungsmäßig runterzieht. Er reduziert meine Bereitschaft, mich in aller Öffentlichkeit zu zeigen. Ich neige anscheinend zu der Annahme, dass man mich mit Pickel im Gesicht weniger mag; und ja, in dieser oberflächlichen Welt gibt es allen Grund zu dieser Annahme. Teilweise trage ich diese Oberflächlichkeit auch in mir, vielleicht weniger als "Täter", aber als "Opfer", das darauf fixiert ist, dass seine Umwelt doch ganz gewiss oberflächlich ist, und daher erwartet, gemieden und geschmäht zu werden. Manchmal bin ich aber auch Täter und meide selbst einen Menschen, nur weil ich sein Optisches abstoßend finde. Allerdings bin ich mir hier überhaupt nicht sicher, ob irgend eine der beiden Rollen, die Rolle des Täters oder die Rolle des Opfers, besser ist. Die Sünde der Oberflächlichkeit ist in beiden Rollen mein persönliches Versagen und als "Opfer" denke ich immerhin ganz betont schlecht von meinen Mitmenschen (eben, dass sie oberflächlich sind). Und ich fühle mich mit einem Pickel im Gesicht ja schon betroffen, nur weil ich in meiner Vorstellung der Situation ausgesetzt bin, dass ich vielleicht gemieden werden könnte. Vielleicht ist das also die größere Egomanie. In jedem Fall ist all das zusammen eine erbärmliche Egomanie. Und sicherlich habe ich Recht, wenn ich annehme, dass ganz viele so erbärmlich egomanisch sind?

(Sich für die eigene Egomanie zu schämen; das ist leider noch nie zur Massenbewegung geworden. Oder ist jede Scham eine Form von Egomanie, sodass man auch von dieser Scham abraten sollte? Oder könnte eine Scham vor der Scham uns befreien?)

Man vergleiche diesen Scham-Komplex mit dem Schlechtes-Gewissen-Komplex.

In etwa der gleichen Weise lasse ich ein "schlechtes Gewissen" in mir zu, das ich mit rein logischem Denken nicht nachvollziehen kann. Ich kann mir 100x sagen, dass es unlogisch oder falsch ist. Es ist doch da. Z.B. wenn ich hier den Rechts-Blogger gebe. Auf der logischen Ebene bin ich davon überzeugt, dass ich hier nichts Böses veranstalte. Aber ich kann mich einfach nicht von den (vermuteten) Wertungen des Mainstreams lösen, zumindest nicht ganz. Sie dringen in mich ein. Es gibt also hartnäckige Überreste von schlechtem Gewissen in mir. Und wie es scheint, rührt dies zu 99,9% daher, dass ich mich hier gegen die "Links=gut–Recht=böse"-Dogmatik stelle. Das schlechte Gewissen geht also nicht auf irgend welche konkreten Text-Sünden zurück, die ich hier veranstaltet habe. Ich habe kein schlechtes Gewissen, weil ich mich hier z.B. für die Erschießung von Flüchtlingen an EU-Grenzen ausgesprochen habe (was ich natürlich nicht getan habe). Konkret inhaltlich fällt mir nichts Substantielles ein, keine These oder Aussage, für die ich mich hier selbst anklagen sollte. Aber dass ich diese heile Welt störe, in der "Links" und "Rechts" wundervoll klar und einfach verständlich für jedermann der "guten" und "bösen" Ecke zugeordnet sind – das, ja das muss dann wohl "böse" sein?

Ist es vielleicht auch wirklich böse? Sprache ist ja relativ und wenn ich zum Mainstream spreche – und man spricht ja immer ein bißchen zum Mainstream –, dann gilt für diesen eben die erwähnte Dogmatik, ganz egal wie oberflächlich sie im kollektiven Bewusstsein verankert ist. "Rechts" und "Links" mögen zu bloßen Worthülsen entartet sein. Sie mögen keinerlei konkreten Inhalt mehr haben und nur noch allein aus (fanatischer) Wertung bestehen. Wenn ich darauf aufsetze und behaupte, "man darf ruhig ein bißchen rechts sein", dann wird das vom Mainstream-Bewusstsein wahrgenommen, als würde ich sagen, "man darf ruhig ein bißchen böse sein". Und ein solches Signal ist natürlich etwas sehr Kritisches. Denn wenn wir unser "Gut" und unser "Böse" wirklich ernst nehmen, dann gibt es hier keinerlei Spielraum für Verhandlungen. Für keine Seele ist es gesund, zum Bösen zu streben. Für keine Seele ist es gesund, auch nur einen kleinen Funken bewusster Bösartigkeit in sich zu dulden oder gar zu kultivieren. (Außer vielleicht man glaubt an den Ausspruch von Ernst Jünger: "Es ist nicht die größte Sünde böse zu sein, sondern stumpf." Hier erscheint die Bösartigkeit gar als möglicher Ausweg aus einer seelischen Stumpfheit.)

Die oberflächliche Scham, der Pickel im Gesicht, und das oberflächliche schlechte Gewissen, der Verstoß gegen eine empfindliche Wort-Wertungskonvention; oberflächliche Ästhetikidale, oberflächliche Moralfestlegungen; weitestgehend "unlogisch" (willkürlich) und doch sehr, sehr hartnäckig. Dabei immer die Angst vor seinen Mitmenschen und ihren potentiell "vernichtenden" Urteilen. Mir scheint, es geht hier jeweils um das Gleiche. Ein schwaches, aber höchst egomanisches Ich flattert wie die Fahne im Wind. Das "allgemeine Urteil" kann es jederzeit zertreten. Dieser Blog ist wie eine selbstauferlegte Übung, sich auch mit Pickel im Gesicht rauszutrauen.

Angenommen, wir sind alle so schwach und egomanisch. Welchen Wert hat dann unser Werten und Urteilen? Welchen Wert hat unsere Moral? Welchen Wert hat unser "gut"?

Der Schein-Egoismus. – Die allermeisten, was sie auch immer von ihrem »Egoismus« denken und sagen mögen, tun trotzdem ihr Leben lang nichts für ihr ego, sondern nur für das Phantom von ego, welches sich in den Köpfen ihrer Umgebung über sie gebildet und sich ihnen mitgeteilt hat; – infolgedessen leben sie alle zusammen in einem Nebel von unpersönlichen, halbpersönlichen Meinungen und willkürlichen, gleichsam dichterischen Wertschätzungen, einer immer im Kopfe des andern, und dieser Kopf wieder in anderen Köpfen: eine wunderliche Welt der Phantasmen, welche sich dabei einen so nüchternen Anschein zu geben weiß! Dieser Nebel von Meinungen und Gewöhnungen wächst und lebt fast unabhängig von den Menschen, die er einhüllt; in ihm liegt die ungeheure Wirkung allgemeiner Urteile über »den Menschen«, – alle diese sich selber unbekannten Menschen glauben an das blutlose Abstraktum »Mensch«, das heißt an eine Fiktion; und jede Veränderung, die mit diesem Abstraktum vorgenommen wird, durch die Urteile einzelner Mächtiger (wie Fürsten und Philosophen), wirkt außerordentlich und in unvernünftigem Maße auf die große Mehrzahl, – alles aus dem Grunde, daß jeder einzelne in dieser Mehrzahl kein wirkliches, ihm zugängliches und von ihm ergründetes ego der allgemeinen blassen Fiktion entgegenzustellen und sie damit zu vernichten vermag.

http://www.zeno.org/nid/20009245081
Nietzsche, Friedrich, Morgenröte, Zweites Buch, 105. Der Schein-Egoismus

Vielleicht kommt es darauf an, die Urteilskraft in jedem einzelnen Moment bei sich zu behalten. Dass man sie keinen einzigen Moment aus der Hand gibt.

 




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Habe ich mich nicht vertippt.
Der Inhalt eines Pickels kann als bekannt vorausgesetzt werden. Der Umgang der Vielen damit nicht immer. Worin aber der konkrete Inhalt ihres Rechtsgedachten besteht wollen sie keine Aufklärung leisten? Kurz waren Flüchtlinge an der Grenze. Aber dann doch nicht.

Sie machen lieber über diese und jede Bande der Sprache wenn sie zum sogenannten "Mainstream" sprechen, den sie immer voraussetzen, aber nie genauer erläutern. Ist wie Systempresse. Sie müssen ihren Pickel schon mal ausdrücken wollen. Damit man auch Stellung beziehen kann im Diskus. So kann man im Grunde nix sagen. Machen sie doch mal Klartext wie neuestes Urteil des EGRM. Etwas handfesteres mal.

So sagen sie ja nur dass sie mutig sind und rechts bloggen. Ein Mensch der Tat der sich allerdings in Worten ausdrückt statt einem Pickel.

Ist das mit der Fixierung aufs Böse bei ihnen was aus der Kindheit. Siehe Rotkäppchen. So übel wird ihnen hier doch nicht mitgespielt. Das ist ja nix. Waren sie schon beim Blog-Obersten zur Vermessung? Ich schon twice. Sie tun ja nur so als ob. Frage ich sie aus welcher Quelle sich ihr Mut speist antworten sie aus ihren Überzeugungen. Frage ich woraus diese Überzeugung besteht antworten Sie na aus dem rechtsgedachten. Wobei wir antworten sie ja in der Regel überhaupt nicht.

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Ich verstehe wirklich nicht, warum Sie mich so "negativ" sehen. Da reagiere ich innerlich reflexhaft sofort mit dem Vorurteil, dass Sie doch das Vorurteil haben – eben weil hier "Rechtes Denken" oben steht. Und daher können Sie mich nicht leiden und finden immer was zu mekeln.

Wirklich, ich halte kaum etwas weiter von der Wahrheit über mich entfernt, als mir vorzuwerfen, ich würde die Dinge nicht gründlich durchdenken wollen. Auf der anderen Seite kann ich aber auch mit Gedanken "spielen" und das macht wahrscheinlich bei Ihnen den Ausschlag zu meinen Ungunsten. Ich bin da selbst auch etwas "schizzophren" drauf, ich schwanke zwischen den Extremen. Mal nehme ich es ganz genau, dann auch wieder überhaupt nicht. Der Name "Gedankenmaler" ist hier auch Symptom, denn einerseits liebe ich die Wahrheit und will ihr nichts antun, andererseits will ich auch frei reden können, auch schon in den Anfangsstadien, wenn man erst noch auf dem Weg zur Wahrheit ist und nur ein paar Ahnungen zur Hand hat.

Was den Begriff "rechts" angeht, so habe ich schlicht den Eindruck, dass es sich nicht lohnt, hier nach irgendwelchen Definitionen zu suchen. Denn das Besondere an der verzwickten gesellschaftlichen Situation ist meiner Meinung nach auch darin begründet, dass wir es hier mit diesem seltsamen Phänomen zu tun haben, dass der Mensch zu werten (zu verurteilen) anfängt, noch lange bevor er verstanden hat, worum es eigentlich geht. Das Herdentier Mensch stimmt schonmal ganz eifrig den Wertungen seines Nachbarn zu und er empört sich auch fleißig "gegen rechts", aber er hat wirklich fast nichts in der Hand außer dieser Überschrift. Das ist so erbärmlich.

Und genau deshalb bin ich hier so hartnäckig unkonkret. Ich kritisere diese Unsitte quasi, indem ich diese Undefiniertheit 1:1 zurückgebe. Und dann mache ich mir auch ein bißchen ein Spaß draus. Das Herdentier kriegt von mir hier seine Lieblings-Angstkonditionierung frei Haus.

Meiner Meinung nach bedarf es erst einer allgemeinen Entkrampfung. Es sollten erstmal alle Seiten von ihren emotionalen Panik-Reflexen runter kommen. Dann können wir gerne nochmal die Grund-Begriffe inhaltlich ordnen.



Aber wir könnten natürlich auch darüber reden, dass der Mensch immer die Wahl hat zwischen Egoismus und Altruismus/Selbstlosigkeit. Aber bereits das scheint mir wie eine Überforderung für den heutigen Menschen. Viel zu viele sind noch von Jahrtausenden Christentum geschädigt. Aus dieser Ecke kam immer nur die totale Überforderung (Lasse Dich für das Heil der Menschheit kreuzigen; Gib Deinem Nächsten Dein letztes Hemd) und die totale Negativität (Wir sind alle Sünder) und dadurch, fast notwendigerweise, eine Kultur der Heuchelei. In Moralfragen waren wir daher fast noch nie wirklich souverän, sondern immer nur Getriebene, Zwanghaftige und Gestörte.

Z.B. würden viele das Paar "Egoismus/Altruismus" praktisch direkt als Gegensatzpaar mit "böse/gut" assoziieren und würden dabei glatt übersehen, dass es auch einen guten Egoismus geben kann. Und manchmal gehen diese beiden Pole sogar Hand in Hand. Manchmal kann der größe Altruismus auch erst auf dem Boden eines konsequenten Egoismus gedeihen. (Als "Rechter" sage ich: All das gilt vielleicht sogar für Völker und nicht nur für Individuen.)

Ich hoffe, das war jetzt mal etwas konkreter für Sie.

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Ich sehe sie in der Regel nicht
ich stelle sie mir als Person eigentlich nicht mal vor. Wenn doch nehme ich dagegen Tabletten. Was ich sehe sind ihre Texte. Damit begnüge ich mich.

Wenn sie gemocht werden wollen. Mein Vorschlag. Eventuell "Paarship".

Da verwechseln sie Birnen mit Äpfel wie gesagt. Ich schreibe doch nicht: "Herr/Frau/* Rechtes Denken zieh die scheiß Klospülung".

Der Mensch ist zum Werten verurteilt. Was soll der sonst tun? Dem Säbelzahntiger gut zureden? Oder ihnen?

Ob es etwas "schizophren" gibt weiß ich nicht zu beurteilen.

Der Täter von Hanau war da recht anfällig. Der ging zur Polizei und wollte ein Anzeige gegen unbekannt einbringen, von dem er sich verfolgt fühlte. Etwas Schizophren ist Verfolgung durch eine Religion oder dem Mainstream. Sicher bin ich mir nicht.

"Mainstream" wiederum ist eine Abstraktion. Ich stimme den Wertungen meiner Nachbarn nicht zu. Ich kenne die nicht. Und den Wertungen des Lungen-Mannes auch nicht, der auch rechts handeln würde. Jetzt allerdings nicht mehr. Den ich auch nicht besonders mag. Trotzdem bin ich da aktiv.

Oh oh. Jetzt erstetzen sie "Mainstream" durch "Herdentier" und behaupten irgendeine Konditionierung, die dieses Dings haben soll. Nee ich speichel mich nicht ein. Ihre Denke ist doch frei.

Ja eben. Wie soll man auch was in der Hand haben, wenn sie nur so herummachen im Ungefähren.

Ich habe einen Satz gelesen der wohl ihrem Anspruch gerecht wird aber trotzdem was hergibt: "Im Katastrophenfall zeigt sich nicht der Ausnahmefall einer Gesellschaft, sondern lediglich eine Dimension ihrer Existenz, die im Alltag im Verborgen bleibt".

Damit kann ich dann was anfangen. Bei ihnen hingegen ist sofort wieder der andere erbärmlich, dem sie eine Herde unterstellen. Nicht die feine Art von ihnen. Ist doch ein Gratis-Blog. Eventuell verwechseln sie die Ebenen. Gucken sie. Sie zitieren die großen des Denkens und nicht die Großen des Denkens sie.

Wie ich schon sagte. Ich sehe hier keine Herde am Werk in ihrem Kommentarblog. Die Erbärmlichkeit ihrer Herde ist nur eine behauptete, an der angeblich die Nachbarn schuld sind.

Sicherlich. Die Katholiken. Dazu findet sich immer ein Text und immer ein Nietzsche. Assoziieren kann man natürlich einiges. Was ich mir schon schreibend herbei assoziiert habe. Brutal.

Und wer war ihrer Sicht in Moralfragen souverän? Und von wem getrieben? Die Endlichkeit hat halt meistens noch ein Ass im Ärmel.

Danke für ihre Antwort. Obschon mir ihre Argumentation ein wenig zu viel Hochebene des reinen Geistes ist. Nur da können sie ja nix für.

Ich versuche mich eher an der Niederrungen.

So wie es verstehe haben wir alles Wesentliche besprochen. Weiterhin gutes Gelingen.

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Wo ich den Herdentrieb in mir selbst beobachte, da finde ich auch mich selbst erbärmlich. Obiger Beitrag war ja u.a. auch eine Auseinandersetzung mit dem Herdentrieb in mir.

Als Ankläger rede ich diesbezüglich, wenn der Mensch nicht die Unze Ehrlichkeit hat, dies zuzugeben, und nicht die Unze Anstand, wenigstens ein bißchen dagegen anzukämpfen.

Den Herdentrieb findet man aus meiner Sicht auch in allen politischen Lagern und gewiss nicht nur im "Mainstream". Es gibt auch Sidestreams (Subkulturen, Alternativkulturen), in denen "Individuen" nichts anderes tun, als mit dem Strom zu schwimmen. Was ich in der Rechts-Twitter-Bubble so manchmal lese, befremdet mich auch oft genug; die Gleichförmigkeit mancher Positionen lässt für mich da auch keinen anderen Schluss zu, als dass dort der Herdentrieb am Werk ist. (Z.B. wenn man dort die Links-Partei als Mauermörderpartei schmäht.)

Für mich scheint das jedenfalls wie eine ziemlich billige, ziemlich alltägliche, fast langweilige Feststellung: Der Mensch ist in sehr hohem Maße ein Herdentier.

Aber vielleicht gehören Sie ja zu den, wie ich meine, sehr seltenen Ausnahmen und können daher gar nicht verstehen, dass ich die Welt und die Menschen so sehe.

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