Mittwoch, 6. September 2023
Früher hatte man das Ideal "Toleranz" ständig empor gehoben. Heute ist man damit nicht mehr moralisch genug. Heute muss man mitmachen: Eben bei Transen. Männer, die sich weiblich fühlen. Frauen, die sich männlich fühlen. -- Du nennst sie bei ihrem biologischen Geschlecht? Schäm Dich!

Es reicht also nicht mehr -- das muss man vielleicht öfter wiederholen -- eine Trans-Person einfach zu akzeptieren, zu tolerieren oder willkommen zu heißen. Man muss ihre Version der Realität akzeptieren, weil alles andere für diese Person als unzumutbar gilt. Früher wäre eine solche Begründungsstruktur als Indikator betrachtet worden für eine eventuell hilfreiche psychiatrische, psychotherapeutische Behandlung. Aber nein. Bei Trans-Personen gilt dies also nicht mehr. Sie haben schlicht ein Recht auf ihre Wunschrealität und ihre Wunschpronomen. Sie haben ein Recht auf den gesamten öffentlichen Sprachraum als ihren Safe-Space. Die Empfindungen der Trans-Person werden schlicht zum Maß aller Dinge erklärt. Wenn sie sagt, dass etwas unzumutbar ist, dann ist dies unzumutbar. Punkt. (Bei Verhandlungen im Jobcenter, zB ob man eine Arbeit annehmen muss, wäre eine solche Verhandlungsposition etwas großartiges. Und ehrlich! Vielleicht kommt ja mal was Zumutbares...)

Nun gut. Dann ist all das eben der Indikator dafür, dass der komplette Mainstream eine psychiatrische oder psychotherapeutische Behandlung gebrauchen könnte.

Ich bleibe dabei: Der (gewaltsame) Griff hinein in den Kopf des anderen ist nicht richtig. Das (gewaltsame) Verbiegen von Bedeutungs- und Sprachzuordnungen ist an sich schon eine Art Sünde. Es ist etwas genuin Unanständiges, Veränderungen im Kopf eines anderen ERZWINGEN zu wollen.
Ich verstehe grundsätzlich aber auch, woher diese Unsensibilität kommt: Sie ist nämlich seit Jahrtausenden ein elendiger Teil unserer Kultur. Vor allem die Religionen haben die Saat von geistiger Gewalt in unser Sein geträufelt: Bekenn Dich zu Jesus oder brenn auf dem Scheiterhaufen. Bekenn Dich zu unserer Interpretation des Abendmahls und Du darfst leben. Bekenn Dich zu Jesus und Du kriegst wieder etwas zu essen.

Na gut. Jetzt also: Bekenn Dich zum Wunschgeschlecht Deines Gegenübers und Du ... darfst Dein Job behalten? ... Dein Geld behalten? ... Dein gesellschaftliches Ansehen behalten?



Es gibt einen Punkt, den ich der Trans-Seite zugestehe:
Insofern ich den (gewaltsamen) Griff in meinen Kopf ablehne, lehne ich es auch ab, selbst (gewaltsam) in andere Köpfe hinein zu greifen. Und ich kann verstehen, dass man sogar das bloße, gesprochene Wort als eine Art "Mikroaggression" empfinden kann. Die bloße daher-gesprochene Prosa, die kaum mehr Alltagsurteilskraft für sich beansprucht als ein Smalltalk-Gespräch, kann als Mikroaggression empfunden werden.

Sogar philosophisch/psychologisch hat mal jemand eine Verbindung zwischen Aggression und Kreativität hergestellt. Immer wenn etwas aus der Tiefe nach Außen bricht, sei auch Aggression beteiligt. Ich weiß nicht, ob das stimmt.
Und wie verhält sich die Aggression zur (gesunden) Selbst-Behauptung? Ist Kreativität auch eine Art Selbst-Behauptung?
Jedenfalls können sogar Photonen ziemlich aggressiv sein. Sie sind eben nur recht klein gestückelt. Aber zuviel davon und man fängt an zu brennen.



Das maximale Zugeständnis bleibt für mich: Ich kann darauf verzichten, die Geschlechtlichkeit überhaupt zu thematisieren, auch nicht indirekt und vielleicht ungewollt durch tradierte Anrede-Formen. Dann müssen wir eben geschlechtslose Anrede-Formen erfinden (zB "Person"). Aber die Wunschrealität des anderen mittragen zu müssen -- das halte ich eben auch für: unzumutbar.



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