Vor mir selbst ist die Sache einfach und klar: Wahrheit wirkt immer und überall für das Gute -- mit vielleicht ganz seltenen Ausnahmen, in denen die temporäre Zurückhaltung von Wahrheit notwendig ist. Daher könnte ich nach Maßgabe meines eigenen Gewissens leichten Herzens für die Sezession schreiben. Auch könnte ich beim Antaios-Verlag ein Buch von mir verlegen lassen.
Diese Brandmauer-Unart ist wirklich nur relevant, insofern ich AUCH ein Herden-Tier bin. Die Kollektiv-Matrix und ihre wesentlichsten Positionen, wie zB die Zuweisungen von "gut"- und "böse"-Stempeln, dringen auch in meinen Kopf ein, sofern ich wert darauf lege, weiter ein Teil der größten gesellschaftlichen Herde zu bleiben, die man "mainstream" nennt.
PS: Diese "Mainstream"-Herde ist vielleicht nicht die größte, aber sie ist die lauteste, sichtbarste und mächtigste.
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Ich habe mich ein Leben lang an diesem elementaren Problem gerieben und konnte es nicht lösen: In Situationen, in denen ich meine Erscheinung in der Öffentlichkeit als "peinlich" empfand -- zB weil ich einen großen, roten Pickel auf der Nase hatte --, wusste ich nicht, wie ich damit umgehen sollte. Das Aushalten von Peinlichkeiten, das Aushalten von Unannehmlichkeiten, überhaupt das Aushalten von Schmerzen oder unangenehmen Emotionen, ist zwar grundsätzlich immer möglich, und man kann sich immer irgendwie zusammenreißen und sich selbst durch eine Unannehmlichkeit durchpeitschen. -- Oder man peitscht sich gerade nicht durch und ist so intelligent, seine Aufmerksamkeit auf positive Dinge zu richten. -- Aber ich wußte nicht, in welcher Richtung ich einen grundsätzlichen, tiefen, inneren Fortschritt in Richtung "Freiheit" erwarten durfte. Ich wußte keinen Behandlungsansatz, um das Grundproblem besser zu beherrschen. Die Forderung, die ich an mich selbst stellte, war immer eine Maximalforderung: Es müsse mir doch eigentlich scheißegal sein, was die anderen über mich denken! -- Aber das war es nicht. Ich konnte mir diese Forderung 100x selbst ins Ohr schreien, doch die Wirkung war praktisch Null.
Heute bin ich ein Schritt weiter und glaube zu wissen, was ich falsch gemacht habe. Ich hatte einfach nicht erkannt, dass es ein Grundbedürfnis in mir gibt, mich mit dem Kollektiv, in dem ich lebe, harmonisch zu arrangieren. Was ich stattdessen versucht hatte, war, das Kollektiv in seiner Gänze zum Teufel zu jagen und mir alles scheißegal sein zu lassen. Ich hatte versucht, mich komplett "abzukoppeln", doch dies stand eben in Konflikt zu einer tieferen Willensschicht in mir. Nun weiß ich eine viel bessere Formel. Ich weiß eine Formel, die funktioniert: Ich sage mir, dass ich als Individuum auch das Recht habe, neue Standards, neue Normen, zu setzen. Dadurch löse ich mich nicht komplett aus dem Kollektiv heraus, ich wechsel nur meine Rolle und bin ein möglicherweise veränderndes Element im Kollektiv. -- Das ist gewissermaßen ein komplett anderer Ansatz. Ich versuche nichts mehr mit Gewalt abzuschneiden. Individuum-Sein und Kollektivmitglied-Sein ist für mich keine Entweder-Oder-Frage mehr.
…
Die gesamte Trans-Problematik ist genau ein solches Problem. Hier treten Individuen auf, die sich anschicken, die Gesellschaft umzugestalten. Jahrtausende alte Gewissheiten sollen nun über den Haufen geschmissen werden. "Mann" und "Frau" sollen plötzlich anders definiert werden. Ja, es soll sogar eine Anerkennungspflicht für jedermann geben. Die neue Realität soll in alle Hirne des Kollektivs hinein! Ja, es gibt auch weibliche Penisse! Ja, Du musst Dich jetzt mit mir zusammen umziehen! -- Abgesehen von diesen grotesken Übertreibungen habe ich viel Respekt vor der Kraft und dem Selbstbewusstsein hinter diesen Forderungen, wenn auch einiges dieser Kraft schlicht das Ergebnis von Leidensdruck ist. Der Versuch der gesellschaftlichen Umgestaltung ist völlig legitim, solange sie auf Gewalt verzichten. Aber genauso legitim ist es, wenn es Gegenspieler gibt, die genauso selbstbewusst von ihrem Stimmrecht Gebrauch machen.
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Ich dachte ja eigentlich, dass es so etwas wie eine allgemeine Furcht vor starken kollektivistischen Tendenzen gäbe. Ich dachte, dies könnte der tiefere, seelische Grund sein, warum so viele Menschen heutzutage Nationalstaaten ablehnen. Ich dachte, man lehne machtvolle Kollektive ab, weil man sich zwanghaft an den Horrorszenarien orientiere; an den Nazis oder an den Borgs aus Startrek. Man habe immer fürchterliche Kollektivdynamiken vor Augen, in denen jedes individuelle Treiben im Keim erstickt wird. Von diesen Szenarien möchte man sich so weit wie möglich entfernen.
Doch dem ist anscheinend nicht so. Man hat zur Zeit überhaupt nichts gegen eine biologische Gleichschaltung und ruft ziemlich früh und ziemlich fantasielos nach einer Impfpflicht. Die Aggressionen dabei schießen mehr und mehr raus. Niemand scheint in der Politik z.B. auf die Idee zu kommen, die Peitsche erstmal beiseite zu legen und es erstmal mit Zuckerbrot zu probieren. Ok, abgesehen von der Bratwurst vielleicht. Wie wäre es mal mit einer Bonuszahlung für Pflegekräfte, die sich jetzt doch impfen lassen? Oder wie wäre es mal mit der Ausgestaltung eines umfassenden Entschädigungsanspruches im Falle von Impfschäden? – Im Wesentlichen fehlt mir das Zuckerbrot. Mir fehlt die nette, respektvolle Behandlung seitens des Staates. Mir fehlt der Anstand. Dass man jetzt mehr und mehr die Peitsche auspackt und immer noch eine Gemeinheit nachlegt, ist deprimierend.
Es gibt also keine allgemeine Furcht vor kollektivistischen Tendenzen. Oder es gibt sie doch, aber es siegt eben wiedermal der tiefere Trieb in uns. Und dieser Trieb mag das Kollektiv, das Autoritäre und die einfachen Antworten. Zumindest in Stresssituationen wie dieser Pandemie.
Übrigens lautet der übergeordnete Imperativ nicht: "Lasse Dich impfen!", sondern: "Verhalte Dich verantwortlich!" Dies aber ist je nach Lebenssituation häufig auch noch sehr gut ohne Impfung zu erfüllen. Insofern gibt es keinen guten Grund und keine Legitimation für irgendwelche Gleichschaltungsaggressionen.
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Angenommen, Du würdest zum Kreis der durch Corona besonders gefährdeten Personen gehören.
Würdest Du den Anspruch erheben, dass sich fast die gesamte Gesellschaft in einen "Lockdown" begibt, um Menschen wie Dich zu schützen?
Würdest Du den Anspruch erheben, dass sich die gesamte Gesellschaft Maßnahmen auferlegt, die die psychische und physische Gesundheit beschädigen?
Würdest Du den Anspruch erheben, dass andere ihre Grundrechte opfern sowie wesentliche Entfaltungsmöglichkeiten im Leben monate- und jahrelang auf Eis legen?
Oder würdest Du eher sagen:
"Nein. Das kann ich alles unmöglich einfordern. Wenn es freiwillig geschieht: sehr gerne. Aber es wäre unverhältnismäßig, diesen Freiheitsentzug inklusive Gesundheitseinbußen über die gesamte Gesellschaft zu verhängen. Die Politik muss versuchen, für Menschen wie mich Schutzräume zu kreieren, und die Menschen um mich herum mögen sich so verantwortlich und so vorsichtig verhalten, wie es nur geht. Aber ich möchte nicht der Grund sein, warum andere empfindliche Gesundheitseinbußen erleiden. Noch nicht einmal dann, wenn dies bedeuten könnte, dass ich sterbe."
?
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Die Leute übersehen gerne, dass die Fronten in der Impfdiskussion eine Fortsetzung der allgemeinen Corona-Fronten sind. Es geht den Menschen gar nicht so sehr darum, ob ein Impfstoff sicher ist oder nicht. Viele sind nur immernoch der Ansicht, dass die gesamte Corona-Politik mit all ihren Grundrechtseinschränkungen ganz grundsätzlich falsch war. Wenn 5% der Bevölkerung ein potentielles, gesundheitliches Problem hat, das Corona heißt, und die restlichen 95% dieses Problem im wesentlichen nicht hat, dann, so die Kritiker, war die betriebene Politik mitsamt ihres großen wirtschaftlichen Schadens eben vollkommen unverhältnismäßig. Wenn 5% ein gesundheitliches Problem haben, dann muss man eben diese 5% so gut es geht behandeln. So macht man das doch auch bei anderen Krankheiten. Man hätte mit einem Bruchteil der aufgewandten Mittel viel für den Schutz der vulnerablen Gruppen tun können und den Rest der Bevölkerung einfach in Frieden lassen können. Doch das hat man nicht getan und das halten viele für illegitim, freiheitsfeindlich, grundrechtswidrig oder einfach: verbrecherisch. Obendrein haben die Maßnahmen sogar noch dazu geführt, dass sich das Imunsystem vieler Menschen aufgrund ausbleibenden Trainings verschlechtert hat. Man hat also im Namen der Gesundheit Maßnahmen verhängt, die der Gesundheit nachweislich geschadet haben, darunter auch Kinder, darunter auch Alte. Man könnte sagen, der Staat hat Gesundheit umverteilt. Einige haben etwas mehr bekommen, viele andere weniger.
Und nun soll man den Gaunern in der Regierung auch noch einen Gefallen tun und sich impfen lassen? Da sagen viele eben allein aus Prinzip: nein. Ich kann das gut verstehen. Zumal die Grundrechtseinschränkungen ja weiter gehen und die Politik immer hemmungsloser zu werden scheint. Inzwischen lässt die Politik sogar zu, dass Supermärkte nach dem 2G-Modell verfahren. Das ist an Schamlosigkeit und Schäbigkeit kaum zu überbieten. Mit solch einem Verhalten züchtet die Politik geradezu den Hass in der Bevölkerung, den sie sonst immer zu bekämpfen vorgibt. Auch in mir wächst der Hass.
So bin auch ich nun im Lager der Impfverweigerer gelandet, obwohl es eigentlich auch ganz anders hätte kommen können. Es ist bei mir eben doch die politische Ebene, die bei mir den Ausschlag gibt, und der Aspekt der "Solidarität" ist bei mir ganz anders besetzt: Ich impfe mich bewusst nicht aus Solidarität mit all den Umgeimpften. Ich möchte mit ihnen zusammen in einem Boot sitzen und die Schikanen, die man uns antut, am eigenen Leib spüren. Und ich will den Politikern eins auswischen. Damit ist das Thema für mich beendet. Ich denke über eine Impfung erst wieder nach, wenn 2G-Modelle im gesamten Bundesgebiet vom Tisch sind, und die Tests wieder kostenlos sind, wenigstens für sozial schwache Gruppen. Und wenn all das Gelaber in den Medien aufhört und Impfen wieder zu einem Thema wird, das ich allein mit meinem Arzt bespreche.
Die vermeintliche Fürsorge für die vulnerablen Gruppen halte ich auch für nicht glaubhaft. Was man insbesondere alten Menschen in Pflegeheimen angetan hat, dass man sie monatelang in großer Einsamkeit eingesperrt hielt, das hat für mich nichts mit wohlmeinender Fürsorge zu tun. Das ist meiner Meinung nach eine Unmenschlichkeit, begangen von Unmenschen.
(Wannimmer ich in diesem Blog über meine persönliche Impfentscheidung rede, so könnte es auch sein, dass ich lüge. Vielleicht bin ich ja schon geimpft, habe aber trotzdem obigen Text verfasst. Vielleicht habe ich auch einen Impftermin in einer Woche.)
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Empörend finde ich als "Individualist" auch das Wort von Steinmeier, dass man dieses Land nur mit einem gebrochenen Herzen lieben könne. Es ist eine ganz besondere Unverschämtheit, das Gleich-Machen aller in der Zone der Liebe und innersten Wertschätzung zu probieren. Nur ein profunder Mangel an Anstand, ein Mangel an Umsicht und Rücksicht, ein Mangel an Interesse für die Bedürfnisse seiner Nächsten, produziert so einen Mist. Nebenbei halte ich diesen Mist auch noch für gesundheitsgefährdend.
Man normiert die Liebe nicht. Man setzt ihr keine künstlichen Grenzen. Die Liebe weiß selbst, was sie kann und was sie nicht kann und wann sie für ein "gebrochenes Herz" sorgen will.
Ich bezweifle, dass Steinmeiers Worte wenigstens für eine Mehrheit aller Deutschen repräsentativ sind. Er konstruiert hier vielleicht eine Perspektive, die für eine große gesellschaftliche Gruppe stimmen mag. Aber auch das bezweifle ich stark. Schon allein die Liebe zum eigenen Land hat man den meisten Deutschen gründlich ausgetrieben. Insofern muss auch die Schnittmenge mit denen, die gleichzeitig ein "gebrochenes Herz" dabei haben, ziemlich klein sein. –
Doch die faktische Wahrheit interessiert den Bundespräsidenten hier wohl so oder so nicht. Er möchte erziehen. Und sein merkwürdiges Erziehungsideal ist die Liebe zu Deutschland mit einem "gebrochenen Herzen". – Auf mich wirkt das wie ein billiger Kuhhandel: Deutschland zu lieben wird gnadenhafterweise toleriert; aber eben nur auf schizzophrene Art und Weise; wenn man den Preis der Niedergeschlagenheit und inneren Zerrissenheit dafür zahlt.
ODER: Steinmeier ist wirklich so stumpf und so blöd und so beschränkt, zu glauben, dass seine eigene Perspektive die einzig sinnvolle ist, die es gibt. – Wenn er diese Perspektive überhaupt selbst hat! Bei Politikern weiß man ja nie. Bereits die Vorstellung, dass Steinmeier Deutschland liebt, erscheint mir höchst zweifelhaft.
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