Mittwoch, 12. September 2018

Mein "Glauben", meine Welt-Vorstellung und mein Welt-Bild, orientiert sich sehr stark an der radikal spirituellen Perspektive, die die Welt und uns selbst zu einem Traum erklärt. Ich glaube, dass in diesem Bild ein sehr hohes Maß an Wahrheit liegt.

Es ist mir daher eher fremd, über die Themen "Ich", "Wir", "individuelle Seele", "Geist" und "Kollektiv" zu diskutieren, als müssten wir erst die Frage klären: Sind diese Dinge real? Nach allgemeiner, esoterischer Erleuchtungslehre träumen wir das "Ich" letztlich auch. Wir alle, die wir letztlich zusammen Gott sind. Es spielt also keine große Rolle, ob wir uns ein "Ich" oder ein "Wir" erträumen. Alles ist Illusion und alles ist Realität.

Es ist im Traum ohne weiteres möglich, ein im Traum Handelnder zu sein, und gleichzeitig nicht durch seine Augen hindurch am Traum teilzunehmen, sondern z.B. aus einer Beobachterposition, als würde man an der Decke des Zimmers schweben, in dem die Handlung stattfindet. Man schaut da auf einen Menschen wie in einem Theaterstück und ist doch gleichzeitig die Seele, die mit dieser Erscheinung verbunden ist. Man ist auf tiefe Art und Weise "identifiziert" ("identisch", gleich…). Und man erlebt diese Realität direkt in seinem Geiste, im Bewusstsein. Es ist ein direktes "Wissen".

Es ist für das menschliche Bewusstsein ein leichtes, seine Ich-Idee über sich selbst hinaus auszubreiten. Außerdem können sich auch die tieferen Anteile des menschlichen Bewusstseins fühlend und liebend mit anderen Menschen substantiell vermischen. Dieses Phänomen sollte jeder zumindest aus einer Liebesbeziehung kennen oder aus einer engen Freundschaft. Hier kommt es meiner Meinung nach nicht selten zu Anflügen von Telepathie. Diese basiert meiner Meinung nach auf einer real energetischen Verbindung unserer Bewusstseine.

Der Streit zwischen "rechts" und "links" in dieser Gesellschaft ist zu großem Teil ein Streit um das "Wir". Man streitet darüber, wie dieses "Wir" genau beschaffen sein soll, welche Kriterien hier relevant sind, und auch gerne darüber, ob dieses "Wir" überhaupt real ist. Man streitet darüber, welchen "Wir"-Traum man träumen darf und welchen nicht. Der gegenwärtige Zeitgeist erklärt vor allem "rassistische", "völkische" und "nationalistische" Wir-Bildungen zu den "bösen" Träumen.

Für mich hat diese ganze Streiterei eine sehr seltsame Qualität. Das ganze Thema ist für mich zu weit im Geistigen, Subjektiven und Persönlichen zuhause, als dass ich mir erlauben würde, anderen etwas über erlaubte oder unerlaubte Wir-Bildungen zu erzählen. Für mich ist das immer eine Sache der persönlichen Wahl. Der Ich-Gedanke ist für mich prinzipiell von elementarer Unschuld und genauso ist es der Wir-Gedanke, der ja im Grunde fast das selbe ist, in jedem Fall ein Gedanke von persönlicher Qualität. Ich schreibe niemandem ein Ich-Bild vor und ich schreibe niemanden ein Wir-Konzept vor. Dies ist für mich sogar moralisch geboten. In meinem Geist meldet sich ein ziemlich deutliches: "Das macht man nicht. Das ist unfein. Das ist ein Eindringen in das Hoheitsgebiet von anderen Menschen." Ich sage Dir nicht, welche Smartphone-Farbe am besten zu Deiner Persönlichkeit passt, ich sage Dir nicht, welches Verhältnis Du zu Deinem Körper haben sollst, und ich sage Dir nicht, ob Du Dich in einem völkisch-nationalen Kollektiv (oder sonstigen) zuhause fühlen darfst oder nicht. Ich habe vielleicht die ein oder andere Empfehlung, aber niemals greife ich in Deinen psychischen Haushalt hinein und sage Dir, was Du in Bezug zu Dir selbst glauben sollst oder darfst.

Der Zeitgeist aber ist hier vollkommen anders eingestellt. Er bietet in manchen Bereichen eine geradezu fanatische Identifikationsfreiheit, wie z.B. neuerdings im Bereich der geschlechtlichen Identität mit bis zu 50(?) Geschlechtern bei facebook. Doch wenn es um das Wir geht, ist dieser Zeitgeist so restriktiv, dass er sogar schon wieder eine faschistoide Qualität hat. Die Moralisierung und Verurteilung der als "böse" betrachteten Wir-Bildungen ist so stark, dass der Respekt gegenüber dem individuellen Geist und der persönlichen Freiheit auf der Strecke bleibt. – Auch das ist eine grundsätzliche Note des Zeitgeists, hier allerdings reden wir über einen zeitlich viel größeren Bogen, über eine Mode, die uns schon seit Jahrtausenden quält: Es gibt schon seit dem Aufkommen der Religionen und ihren faschistoiden Glaubenszwängen, gestützt von ultimativen Drohungen, keinen tiefen Respekt vor dem Geist des Menschen. Nichts ist ja für den freien Geist eine größere Zumutung als: "Du sollst glauben…"; und wir dulden solche Zumutungen immernoch als seien sie normal – und nicht ur-faschistisch.

Es wäre schön, wenn man den Zeitgeist so deuten könnte, als würde man sich einfach mal intensiv dem "Ich" widmen wollen und daher alles, was zuviel auf ein "Wir" hinausläuft, ablehnt. Wenn der Zeitgeist sozusagen die tiefschürfende, spirituelle Selbst-Erkenntnis und die individuelle Freiheit fördern würde. Aber so konsequent ist er dann eben doch nicht. So tief motiviert ist er nicht. Eher geschieht alles aus einer mehr oder weniger glücklichen Verkettung von Gedankenprozessen, welche von sehr starken Heil-und-Unheil-Bewertungen gelenkt, bzw. hin- und hergeschubst, werden. Hierbei ist natürlich auch jede Menge Angst im Spiel, auch vorausgreifend. Auf einen Weg zu geraten, der vielleicht ins Unheil führen könnte, muss unbedingt vermieden werden. Also wird die Freiheit zur Not eben auch ein bißchen zuviel beschnitten. Besser zuviel als zuwenig.

Für mich ist die freie Wir-Bildung ein Elementarrecht, so wie die Meinungsfreiheit oder das Recht auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit. Im Grunde geht es hier ja jedes Mal um die gleiche Freiheit: die Freiheit des Geistes.

 




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