Mittwoch, 14. März 2018

Fortsetzung / Nachtrag zu "Rassismus ist natürlich (1)"

1.

Als ich das erste Mal die These "Rassismus ist natürlich" formulierte, hatte ich das Gefühl, ich betrete einen dunklen Wald voller gefährlicher Tiere. Einen verbotenen Ort, den aufzusuchen, nicht nur gefährlich für einen selbst ist, sondern auch ein böser Akt an sich. Oder: Ich fühlte mich, als hätte ich mich geistig ins Weltall geschossen. In eine unerschlossene Welt, in der es keinen Halt gibt. – Es brauchte lange, bis ich diese These einfach nur nüchtern als Faktum behandeln konnte.

Die These verließ das erste Mal meinen Mund, als ich mich auf Englisch mit einem russischen Freund unterhielt und er mir von seinen Erfahrungen in den USA berichtete. Er erzählte von seiner Erfahrung in einem Betrieb, in dem es zwei Pausenräume gab. Aus irgend einem Grunde (–) spaltete sich die Belegschaft hier deutlich nach Rassen auf. Die Weißen nutzten alle den einen Raum, die Schwarzen den anderen. Ihm selbst fiel das erst gar nicht auf. Er setzte sich geitesabwesend in einen Raum und bemerkte dann irgendwann, dass er "weird looks" (seltsame Blicke) abbekam. Dann fiel es ihm auf: Er war der einzige Weiße im "Raum der Schwarzen"! Sie waren zwar alle nett zu ihm und es gab keinerlei aggressive Ausgrenzung, aber offensichtlich erzeugte er eine Art von Irritation, die man nicht gänzlich verheimlichen konnte.

Mein russischer Freund wunderte sich auch allgemein über die Kultur in Amerika. Er wunderte sich über die Tatsache, dass die Ethnien dort zum großen Teil separiert sind, während sie gleichzeitig in einer Art positivem Nationalismus geeint sind. Ob Schwarze, Weiße oder Hispanics, viele von ihnen würden mit Stolz von ihrer Nation reden.

Als er mir das alles erzählte, sagte ich: "Maybe, racism is natural."

Mein russischer Freund entgegnete: "Strange things are coming from you, today!" (Offensichtlich hatte ich schonmal etwas Unerwartetes an diesem Tag von mir gegeben.)


2.

Die Aussage "Rassismus ist natürlich" muss nicht unbedingt als eine positiv wertende oder den Rassismus entschuldigende Aussage begriffen werden. "Natürlich" ist für den Menschen unter gewissen Umständen ja auch die rauschhafte Mordlust, aber das heißt nicht, dass wir sie gut finden müssen. Weiterhin ist auch eine gewisse Faulheit, Trägheit und Ignoranz unter den Menschen "natürlich", aber uns ist genauso "natürlich" klar, dass wir diese fragwürdigen Eigenschaften im Zaum halten müssen. Ähnlich verhält es sich z.B. mit Ängstlichkeit und Feigheit: Es sind dies in gewissem Sinne ganz "natürliche" Eigenschaften des Menschen. Aber der Mensch ist dazu geboren, auch im geistigen Sinne zu wachsen und diese "Schwächen" hinter sich zu lassen. – Vielleicht sollte man "Rassismus" ganz ähnlich betrachten?… Vielleicht nicht?…

Ein unverkrampfter Umgang mit dem Thema scheint aber nicht möglich. Man geht lieber den Weg, Rassismus zu verteufeln, zu verbieten und zu unterdrücken. Hier kommt offensichtlich wieder die "natürliche" Angst des Menschen ins Spiel: Denn was könnte nur alles passieren, wenn wir den "Rassismus" nicht mehr wie bisher bekämpfen, wenn wir ihn nicht nur als schlechte Sitte betrachten, sondern als zumindest partielles Naturphänomen?

Oder sind wir heute schon so weit, sagen zu können?: Nun gut, im Sinne eines Strebens nach oberflächlicher Ähnlichkeit, im Sinne eines Strebens nach ähnlichen Menschen, ist "Rassismus" nunmal natürlich. Der Mensch, der täglich in den Spiegel guckt, und sich über Falten, Pickel, graue Haare und andere Schönheitsmakel aufregt, – aber dabei fast nie an den ganzen Menschen zu diesem Gesicht denkt, an sein Innenleben und seine Seele –, der ist nunmal so primitiv. Was soll's. In das menschliche Auge fällt vor allem die Oberfläche der Dinge. Und Oberfläche ist für uns in so vielen Situationen die ganze Realität!

Für Details bemühe man die Wahrnehmungspychologie. Was unseren Wahrnehmungsapparat dazu verleitet, Unterklassifikationen einer gleichen Art aufzumachen, und diesen dann einen eigenen Namen zu geben, erfrage man von dieser Disziplin. Dass wir Menschen mit schwarzen Haaren nicht notwendigerweise in eine eigene Rasse packen, aber von einer Vielzahl von anderen Äußerlichkeiten, die noch hinzukommen (Hautfarbe, Form der Nase, Haare, Kiefer, Stirn, Augen), dann dazu verleitet werden, hier einen eigenen Typus zu sehen, – das scheint mir zum Teil sehr subtilen Wahrnehmungsgesetzen zu gehorchen. Dass unsere Wahrnehmungsgewohnheiten teilweise auch konditioniert / sozial geprägt sind, widerspricht dem nicht. (Wie und warum sind diese Wahrnehmungsgewohnheiten entstanden?)

Biologisch genetische Fakten, die angeblich nahe legen, dass es "in Wirklichkeit" ja gar keine Rassen gäbe, sind jedenfalls irrelevant. Diese Sichtweise unterschlägt, dass es für den Menschen in seiner subjektiven Wahrnehmungweise nunmal Gene gibt, die bedeutsamer sind als andere: nämlich alle diejenigen, welche über das äußere Erscheinungsbild entscheiden. Offensichtlich vererben sich diese Faktoren innerhalb einer Rasse ja mit lückenloser Kontinuität. Die Rasse ist und bleibt eine wahrnehmungspsychologische Tatsache, welche für den Menschen eine gewisse Bedeutsamkeit hat bzw. haben kann.

Die Existenz von Rassen aufgrund von genetischen "Fakten" zu leugnen, ist Ausdruck einer neumodischen, menschlichen Eigenschaft, die ich übrigens nicht für natürlich halte: Ich nenne sie "Überrationalität" oder auch "Verkopftheit". Grob gesprochen, tun sich die Menschen von heute schwer damit, eine gesunde Mitte zwischen subjektiven Denken und objektiven Denken zu finden. Der Wille, sich an objektiv wissenschaftlichen Fakten zu orientieren, kann auch über das Ziel hinausschießen. Wie am Beispiel des Rassenthemas gut zu erkennen, führt das dazu, dass man die elementaren Bedürfnisse des Menschen und seine eigentümliche Wahrnehmungsweise vergisst. Man vergisst, was für den Menschen in seiner Wahrnehmungswelt praktisch von Bedeutung ist. – Und es ist ja nicht gerade glaubwürdig, die Existenz von Rassen nur für den Menschen zu leugnen, während man in der gesamten Tierwelt an dieser Einteilung festhält… Offensichtlich ist der Mensch ist in seiner Selbstwahrnehmung befangen. Ein "typisch menschlicher" Angstkrampf fordert hier ganz selektiv eine strenge Verschiebung der Wahrnehmungsmaßstäbe ein, sobald es um die eigene Spezies geht.

Die Betrachtung der Natur in ihrer Gesamtheit ergibt aber auch, dass es nicht nur eine "verfehlte" menschliche Eigenschaft ist, stark auf Äußerlichkeiten zu setzen. "Die Natur selbst" hat ein stark ausgeprägtes "Oberflächenbewusstsein". Sie spielt dieses Spiel in 1000-fachen Formen: Die Prahlerei von Tieren mit ihrem Äußeren bei der Partnerwahl, das Tarnen von Tieren durch Farbanpassung, die Irreführung von anderen Tieren durch Verstellung, das Sich-Tot-Stellen, um sich uninteressant zu machen, der Symmetrie-Sinn in der Konstruktion der Lebewesen, welche gleichzeitig, was die innere Lage der Organe angeht, asymmetrisch sind: Man sieht, wie es in der Natur und in vielen Lebewesen offensichtlich auch ein Bewusstsein für die Außenwirkung der eigenen Erscheinung gibt, ein Bewusstsein für die eigene "Gestalt". Offensichtlich hat dieses Bewusstsein in der Natur auch bei der Evolution der vielen Arten und Unteraten mitgewirkt. – Es geht nicht immer nur um das Überleben, den Kampf und die zufällige Mutation. Die Darwin'sche Sichtweise ist beschränkt. Es ist in der Natur immer auch ein Spieltrieb am Werk gewesen. Eine Lust an unterschiedlichen Farben und Formen. Die Natur ist ein großer Künstler (oder das Werk von tausenden Künstlern) – welcher Rassen geschaffen hat. Seien wir nicht so verbohrt, und weisen ausgerechnet diesen Aspekt zurück. Abgesehen davon, dass diese Zurückweisung auf einem inneren Konflikt basiert, der nicht natürlich und nicht gesund ist: Man bringt sich damit auch um einen Teil des Genusses in diesem großen Kino.





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