Donnerstag, 29. November 2018

Es ist vielleicht nichts offensichtlicher. Und doch ist es gerade deshalb manchmal schwer zu erkennen. Wir sind psychisch gestört. Alle miteinander.

Ich nehme mich hier ausdrücklich nicht aus und ich sage dies nicht aus einer "rechten Arroganz" heraus, primär an die Linken gerichtet. Ich bin zwar schon der Meinung, dass die Linke einen ganz gehörigen Haufen von nur ihnen eigenen Phobien und Irrtümern zu bearbeiten hat – vor allem die Phobien vor "rechts" und vor den Konzepten "Nation", "Rasse", "Volk", "Kollektiv" und "Faschismus" –, aber im Großen und Ganzen nehmen wir uns alle nicht viel. Die Linke hat historisch betrachtet ja auch ihre guten Gründe für ihre Phobien, zumindest scheinbar.

Es befindet sich eine Art Krebsgeschwür in unserer "Seele" oder im (kollektiven) "Bewusstsein". Eine negative Programmierung, eine auf Negativität ausgerichtete Denkmode, ein dunkler Fleck, der uns auf mehrere Arten und Weisen angreift. Als hätte man uns einen Dämon ins Hirn gesetzt, der uns mit Teufelslist stetig zu schwächen versucht. Wir haben ihn uns selbst ins Hirn gesetzt. Wir haben nicht konsequent genug gedacht, nicht tief genug gedacht. Und dann haben wir uns von unseren Ängsten besiegen lassen. So haben wir ihn erschaffen. – Wir haben vielleicht auch Angst vor uns selbst? Vor der Bestie in uns. Vor dem Menschen an sich und wozu er fähig ist.

Dieser dunkle Fleck ist ein Meister von Verführung zur Selbst-Verneinung. Er wechselt stetig die Taktik, um nicht angreifbar zu sein, um unsichtbar zu bleiben. Er leugnet seine Existenz, seine Aggressivität, seine verheerende Wirkung. Mal tut er so, als würde er die Selbst-Bejahung bis zu einem gewissen Grad erlauben. Dann wieder leugnet er, dass eine Selbst-Bejahung überhaupt möglich ist. Dann wieder ist er offen anti-deutsch und offen selbst-zerstörerisch. Hauptsache, es kommt am Ende ein genügend starkes "Nein" zum eigenen Sein heraus. Der dunkle Fleck glaubt und behauptet, dies sei "moralisch" geboten. Selbst-Verneinung, Selbst-Leugnung, Selbst-Zerstörung als gute, richtige und gebotene Tat. Gerne auch als Intellektuellensport: De-Konstruktivismus.

Ich entgegne: Eine Selbst-Bejahung ist IMMER gesund und gut und schön. Auch, wenn sie im Kontext "konstruierter Identität" geschieht, die letztlich "Illusion" sein mag. Es ist egal. Sobald nur ein Fitzel dieser Identität wahrhaft geglaubt ist, sollte man sich mit diesem Teil auch selbst bejahen können. In der Regel wird das Gute in einem so mehr gefördert als dass man die Bestie in einem durch Selbst-Verleugnung unter Kontrolle bringt.

Woher ich die Sicherheit nehme, so etwas zu sagen, weiß ich selbst nicht. Vielleicht bin ich mir auch gar nicht so sicher. Vielleicht wehre ich mich auch nur instinktiv gegen den dunklen Fleck in mir und setze ihm eine Gedankenmalerei entgegen. Aber ich bin mir sicher, dass ich diesen Weg gehen will. Er fühlt sich besser an.

Ich habe überhaupt gar kein Problem mit Leuten, die einfach nur keine Lust mehr haben, sich mit der Idee "Deutscher" zu identifizieren. Wenn die Idee für sie einfach leer ist und leer bleibt, dann bitteschön. Seid einfach nur "Mensch" oder "Kosmopolit", "Weltbürger", "Bruder", "Schwester", "Gotteskind" oder völlig namenlos… und erfreut Euch daran. Aber anderen die Suppe "Deutscher" madig machen zu wollen, ja ihnen hinein zu spucken, ist nicht sehr höflich. Es ist zum Kotzen übergriffig. Ich sage, das ist unmoralisch.

Lediglich als Reaktion auf eine rechte Übergriffigkeit kann ich einem solchen Treiben Verständnis abgewinnen. Historisch betrachtet waren Nationen ja auch nicht gerade zimperlich bei ihrem Zugriff auf das Individuum. Und auch heute noch gibt es viele Beispiele für Nationen, die sich weit über alle Maßen übergriffig verhalten: Sie verlangen von "ihren" Bürgern z.B. eine Wehrpflicht ab. Sie verlangen mitunter sogar einen Einsatz für die Nation bis in den Tod. Hiergegen auf die Barrikaden zu gehen und mit allen möglichen materiellen und geistigen Waffen zu "schießen", befürworte ich absolut. – Mein größtes inhaltliches Problem mit der AfD – gemessen am Parteiprogramm – ist vielleicht, dass sie die Wehrpflicht wieder einführen will. Das ist aus meiner Sicht ein übergriffiger Nationalismus, der nicht mehr in unsere Zeit passt. Ein Gemeinwesen sollte nach meinem Verständnis grundsätzlich immer nur so übergriffig sein, wie unbedingt nötig. Und so sehe ich das Maximalmaß bereits erschöpft, wenn ein Staat Steuern von "seinen" Bürgern verlangt. Man sollte Fußballer auch nicht dazu zwingen oder nur drängen, die Nationalhymne zu singen. Das ist affig und bescheuert. (Nur: Es ist schon irgendwie auffällig und schade, wenn ausgerechnet alle mit Migrationshintergrund nicht mitsingen. Das sollte uns zu denken geben.)

Vielleicht geht es mir am Ende sogar nur um die Freiheit, sich nach Belieben ein Konzept von "deutsch" und "deutschem Volk" zu machen. Die Freiheit, die eben auch eine Freiheit des Individuums ist, mache ich niemandem streitig und ich verlange auch von jedem anderen, dass man sie mir nicht streitig macht. Mein Deutsch-Sein ist mir weit weniger wichtig als die Freiheit zum Deutsch-Sein. Doch wenn man mir dies nehmen will oder mir unter Moralmißbrauch in mein Selbst-Verständnis einengend hineinredet, dann wehre ich mich.

Vielleicht bin ich aber auch nur ein zu guter Mensch, eine zu gute Seele. Und vielleicht bin ich zu naiv, wenn ich meine guten Eigenschaften auf die breite Masse übertrage. Ich bin kein Heiliger, weiß Gott, aber ich sehe schlichtweg nicht ein Milligramm Aggressivität und Erhöhungsbedürfnis gegenüber anderen Nationen in mir, wenn ich mich als "Deutscher" selbst bejahe. Ich bin beim Fußball auch immer ganz leicht zu trösten, wenn "wir" verlieren: Freuen sich doch die anderen, das andere Volk! Ich gönne es ihnen von Herzen. Ich habe es Korea gegönnt… Was für eine Party müssen die gefeiert haben! Ich freue mich jetzt noch einmal mit ihnen. (In Wahrheit ist Verlieren ja eigentlich das größere Glück. Denn die Chance zum seelischem Wachstum ist hier viel größer.)

Gibt es heute noch zu viele Seelen, bei denen die nationale Idee immer zu einer negativen Dynamik führt? Die von einer möglichen Kollektivdynamik allzu leicht berauscht werden? Die dann so nach einem Beweis und einem Ausdruck dieser rauschhaften Kraft gieren, dass sie sich sogar nach einem Krieg sehnen? Müssen wir wirklich so extrem vorsichtig sein, wie es einige Linke offenbar glauben? Heute bejahen wir uns selbst ganz unschuldig als Deutsche – und morgen fordern wie die "besetzten Gebiete" von Polen zurück und steuern auf einen Krieg zu? Ich glaube es eben nicht, bin aber bereit, Vorsicht walten zu lassen. Ich möchte keine "deutschen Gebiete" zurück. In Angesicht deutscher Verbrechen ist es nur fair, Gebiete verloren zu haben.

Man kann sich übrigens auch auf humorvolle, selbstironische Weise selbst bejahen. Vielleicht wäre das ein Kompromiß für all die Deutsch-Muffel. Ich schlage vor, wir geben uns eine neue Nationalhymne: "I've been looking for freedom" von David Hasselhof. Ich bin sicher, er gibt uns die Rechte dazu. Rammstein wäre für mich persönlich auch eine Alternative. Diese Band transzendiert sogar den Faschismus – und eine Nation, die Headbangig kann, ist eine gesunde Nation. Da machen dann bestimmt auch alle mit Migrationshintergrund mit.

Der Unterschied zwischen Vernunft und Wahnsinn liegt häufig nur in der Übertreibung einer Sache, einer Ansicht, eines Wunsches, einer Überzeugung. Die Übertreibung kann fahrlässig geschehen, aus purer Dummheit und Unerfahrenheit im Denken, aus einem fehlenden Bewusstsein für das Prinzip des "Wegs der Mitte" (Buddha) und die Rolle der richtigen Betonung einer "Wahrheit" (nur in ihrer richtigen Betonung ist die Wahrheit auch eine Wahrheit). Oder sie kann aus einer Angststörung, irgend einem emotionalen Krampf, her rühren, sodass man etwas für ganz unbedingt wichtig hält, obwohl es das eigentlich gar nicht ist.

Ich schlage vor, dass wir uns alle bis aus weiteres in Therapie begeben. Vielleicht sollten wir die Schar von Journalisten, Politik-Experten, Moderatoren, Politikern, etc. in der öffentlichen Diskussion mal komplett beiseite schieben und durch psychologische Psychotherapeuten und Philosophen ersetzen. Und wir sollten viele Kleingruppen bilden. Und natürlich Einzelsitzungen nehmen. Über Gefühle, Ängste, Wünsche und Glaubenssätze reden. Sowohl die Linken als auch die Rechten.




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