Samstag, 30. Januar 2021

Mir scheint, Transmenschen (bzw. einige besonders aggressive von ihnen) wollen sich in der Tat das (Sonder)Recht herausnehmen, dass jeder in der Gesellschaft zum Mitmachen an dieser Theateraufführung verpflichtet wird: Ein bißchen Schminke, ein bißchen Cross-Dressing, vielleicht auch eine Perrücke – und fertig ist die Frau!

Man könnte uns auch dazu verpflichten, bei einer Aufführung von "Des Kaisers neue Kleider" mitzumachen und das wunderschöne, neue Kleid zu sehen. Aber es tut mir leid. Ich sehe weder des Kaisers Kleid noch sehe ich die Frau vor mir, wenn sich ein Mann ein bißchen fraulich verhält. Und ich bin der Meinung, dass mein Recht, zu sagen, was ich sehe, höher steht, als das angebliche Recht eines anderen, von seiner Umwelt wunschgemäß bestätigt zu werden.

Es gibt ja sonst auch kein Recht auf wunschgemäße Bestätigung durch die Umwelt. Im Gegenteil, es gehört wesentlich zum Leben, sich von der Bestätigung oder Nicht-Bestätigung seiner Mitmenschen unabhängig zu machen. – Warum sollte man hier eine Ausnahme machen? Und darf man dann so weit gehen, diese eine Ausnahme sogar zu einer gesetzlichen Pflicht für alle zu erheben?

Mein Recht zu sagen, was ich sehe. – Dort eine Blume, dort ein Berg, dort ein nackter Kaiser, dort ein Mann in Frauenkleidern.

Ich nenne den Sozialismus nicht auf Befehl ein "Paradies". Auch den Kapitalismus nicht. Ich will überhaupt nichts auf Befehl bejahen oder bestätigen oder würdigen müssen. Das bedeutet gewissermaßen, mir die "Urteilskraft" zu stehlen. Es bedeutet, mich zu vergewaltigen und zu enteignen; mir meine Stimme zu stehlen. Es bedeutet, das öffentliche Gewicht meiner Worte für etwas zu instrumentalisieren, das ich nicht selbst auswählen durfte. Ich möchte nicht, dass mir jemand in den Mund hineingreift und kurz vor der Aussprache zwei Wörter vertauscht (– genau so fühlt es sich an, wenn ich z.B. einen Mann eine Frau nennen soll). Ich möchte nicht zu einer empfundenen Lüge, einer empfundenen Unwahrheit gezwungen werden. Ich möchte kein Theater spielen. Ich möchte mit meiner Realität in Kontakt bleiben, wenn ich spreche. Ich möchte meinen sprachlichen Ausdruck in Kongruenz bringen dürfen zu dem, was ich sehe, was ich erlebe und was ich denke und glaube. Wahrhaftigkeit gehört zu meinen Idealen. Wenn ich jemanden mit "Herr" oder "Frau" anrede, dann weil ich mein Gegenüber als "Mann" oder "Frau" erlebe. Alles andere wären lediglich Lippenbekenntnisse. Lippenbekenntnisse, die anderen Menschen seelischen Frieden bringen sollen, sind vielleicht eine noble Sache, aber ich bestehe darauf, dass ich mich freiwillig dafür entscheide.

Man kann keinen Menschen dazu zwingen, eine Realität anzuerkennen, an die er nicht selbst glaubt. Wenn man es doch tut, entsteht eine reine Scheinebene. Es bedeutet, dem Menschen eine Außenseite anzutun und eine Außenseite abzuverlangen, die er gar nicht tragen will. – Im Grunde hat man unter so einer Politik also das gleiche Problem wie ein Transmensch! Auch der Transmensch bekommt ständig eine Außenseite "angetan", die ihm nicht liegt! Das Problem wird gewissermaßen verlagert; die Bürde, die man dem Transmensch nimmt, wird jetzt allen anderen auferlegt.

Nun könnte man die Frage stellen: Wer von beiden leidet stärker? Der Transmensch, der von außen ein als falsch empfundendes Geschlecht zugewiesen bekommt, oder der Mensch, der in geistigen Dingen sensibel ist, und der sich vergewaltigt fühlt, wenn man ihn mit Zwangsmitteln zu einer empfundenen Lüge zwingt. – Ich vertrete hier letztere Gruppe. Ich bin sehr sensibel, was solche Eingriffe in die Sprache und das Denken angeht.

Ich lasse diese Beurteilung, wer stärker leidet, offen. Zumal die mutmaßliche Wahrheit auch viel zu individuell schwankend ist. Nicht jeder Transmensch ist gleich. Und es ist nicht jeder so sensibel wie ich, was Sprach- und Denkvorschriften angeht. Fest steht: Beide Gruppen mögen es nicht, von außen zu etwas gezwungen oder gedrängt zu werden, das sich innerlich einfach falsch anfühlt.

Ich suche daher nach einem Kompromiß und dieser könnte z.B. darin bestehen, dass man die Sprache um Anredeformen erweitert, die das Geschlecht offen lassen. Anstatt "Herr" oder "Frau" sagt man vielleicht einfach "Per", abgeleitet von Person? Oder "Wes", abgeleitet von Wesen? Oder "Mensch"? Eine Person ist grammatikalisch weiblich. Ein Wesen sächlich. Ein Mensch männlich. Hier macht es mir keinerlei Schwierigkeiten mehr, auf jemanden mit weiblichen, sächlichen oder männlichen Pronomen zu verweisen.

Es gibt relativ viele Menschen, die mit einem beschissenen Schicksal zu kämpfen haben. Jeder hat im Leben sein Päckchen zu tragen. Manche leiden ihr ganzes Leben lang an Allergien und die Gesellschaft trifft doch nicht die Entscheidung, alle öffentlichen Einrichtungen allergikerfreundlich einzurichten. Oder z.B. Wollprodukte ganz zu verbieten. Warum? Weil es schlicht übertrieben wäre. Bezüglich Transmenschen und ihren Rechten scheint mir dieses gesunde Maß jetzt möglicherweise verloren zu gehen. Bei allem Mitgefühl: Die gesamte Gesellschaft zu einem Theaterspiel zu verpflichten, erscheint mir fast – wahnsinnig.

Ansonsten kann ich noch das Angebot einer Umarmung machen. Dies gilt für jeden Menschen mit einem schweren Schicksal.

https://twitter.com/RyanAFournier/status/1078700090955649027 : What is what happens when you “misgender” someone...






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