Donnerstag, 15. Februar 2018

"Menschenwürde" / "Die Würde des Menschen": pseudophilosophische Nebelkerze, poetisch romantischer Hollywood-Kitsch, möchtegern-tiefsinnig, letztlich gegenstandslos, irreal, ein Konstrukt ohne Entsprechung in der Realität, ein Propagandabegriff, Populismus – anscheinend erfunden, um sich eine scheinbar gute Grundlage für den "logischen Schluss" auf die Menschenrechte zu schaffen. Ich vermute, das menschliche Bedürfnis nach Selbst-Bestätigung und Objektivierbarkeit durch Logik hat die Verfasser des GG zu diesem Kunstgriff getrieben. Gleichzeitig brauchte man etwas "Feierliches", Nebulöses, auf das man all seine Irrationalität, Unsicherheit und existentielle Unwissenheit abladen konnte. – Hier am Anfang unseres GG also ein bißchen "Religion", ein bißchen "Glauben", ein bißchen Schwärmerei, Verklärung und Irrationalität. Es ist das religiöse Dogma eines ganzen Staates. Das Folgende ist dann wieder Rationalität, Logik, Logos, Rechtsetzung.

Es ist fast amüsant, wie alle Welt auf diesen Zug aufspringt. Es ist immernoch so typisch menschlich, nicht besonders viel selbst zu denken, Kunstbegriffe anzubeten und sich den Gedankenmoden seiner Zeit anzuschließen.

Ich sage, dem Menschen ist weder eine "Mindestwürde" von Natur aus mitgegeben, noch eine Mindestschuld bzw. Sündhaftigkeit.

"Menschenrechte": für mich direkt mit dem Körper fühlbar, in der Bauch- und Torsogegend (zumindest immer dann, wenn ich mit ekelhaften Verstößen gegen die Menschenrechte konfrontiert bin). Ich bin mir sicher, dass dieses Gefühlswissen/Wissensgefühl weitestgehend angeboren ist. (Wahrscheinlich sitzt es direkt im "Geist".) Jedenfalls habe ich hier einen sicheren Stand und so gut wie keine Zweifel. Meine Eltern haben mich in dieser Hinsicht offensichtlich nicht verzogen, und sie mussten mich auch nicht groß erziehen. – Ich brauche also keine Begründung, die es logischerweise so oder so nicht geben kann. Wir befinden uns hier auf der Ur-Ebene. Alle Logik muss irgendwo enden, und sie endet eben hier. Die Menschenrechte gibt es. Basta. Logisch betrachtet reine Willkür, aber mit Substanz im Gefühl.

Ich kritisiere nicht das grunsätzliche Bedürfnis des Menschen nach Religion und nach Sicherheit und nach irgend etwas, an das man "glauben" kann.

Das mit der Feierlichkeit klappt für mich aber sehr viel besser, wenn man es nicht nur auf den Menschen beschränkt. Also, z.B:

"Die Würde Die Heiligkeit (Die Schönheit) der göttlichen Schöpfung ist unantastbar."

Die Selbst-Bezogenheit des Menschen ist zwar verständlich – gerade im Falle Deutschlands mit seinen dunkelsten 12 Jahren und seinen Verbrechen gegen die Menschlichkeit – aber irgendwie auch ein bißchen kleingeistig.

Wer z.B. die Tiere nicht achten kann, übersieht etwas Entscheidendes. Er übersieht Brüder und Schwestern. Er übersieht Kinder. (Und trotzdem bin ich kein Vegetarier, aber ich achte auf's Maß Halten.)

Das Hantieren mit Kunstbegriffen wie das von der "Menschenwürde" kann sich negativ auf den Menschen auswirken. Insbesondere Kunstbegriffe – neben Begriffen im allgemeinen und überhaupt – rauben dem Menschen seine Unmittelbarkeit zur Realität. Wenn der Begriff kein unmittelbares Verständnis / kein unmittelbares Bedeutungsbild im Menschen hervorruft, zieht es den Menschen nicht in sein Gefühl hinein, sondern hinaus. Der Prozess des lebendigen Erkennens wird behindert. Der Geist (der Intellekt) ist zu stark mit seinen Konzepten, Wünschen und Ängsten beschäftigt. Denn der Mensch hat grundsätzlich Angst um seine Begriffe und Glaubenssätze, gerade wenn auf ihnen scheinbar die "Weltordnung" beruht.

Vielleicht überarbeiten wir ja mal §1 GG und befreien uns von dem unnötigen Kitsch. Ich würde es bevorzugen, die "Menschenwürde" zu streichen und stattdessen den Begriff der "Menschlichkeit" zum zentralen Orientierungspunkt zu erheben. Dieser Begriff ist viel näher dran am Denken des einfachen Mannes auf der Straße – für den das GG ja in erster Linie gemacht ist.

Diese "Menschlichkeit" sei also die "Pflicht aller staatlichen Organe". – Doch hüte sich der Staat davor, diese "Menschlichkeit" allzu stark zu normieren! Halte er sich streng aus dem Privatbereich der Menschen hinaus! "Menschlichkeit" ist zu allererst Sache der einfachen Menschen! Es ist ein Menschenrecht, sich Menschlichkeit im Privaten selbst definieren zu dürfen. Und eben dieses Recht sollte vom Staat verteidigt und nicht angegriffen werden!

Das große Irreführende an einem Begriff wie "die Würde des Menschen" ist eben, dass der Begriff "Würde" darin vorkommt.

Kann es sein, dass das leere Gerede von der "Menschenwürde" unseren normalen Begriff von "Würde" stark aus unserem Bewusstsein verdrängt hat? Allein aufgrund der begrifflichen Doppelbelegung leidet die normale (und, wie ich meine, reale) Würde unter dem Luftschloss "Menschenwürde". Das menschliche Bewusstsein und Unterbewusstsein hat sich so sehr daran gewöhnt, nichts wirklich in der Hand zu haben, wenn der Begriff "Würde" fällt, dass die normale Würde praktisch in Vergessenheit geraten ist. Sie wird fast gar nicht mehr "übersetzt" im psychischen Apparat. Zumindest ist sie als Denkmode gerade alles andere als "in". Man legt heute keinen besonderen Wert darauf.

Leben wir nicht in sehr "würdelosen" Zeiten? – Ich nehme es so wahr, dass Ideale wie "Würde" und "Anstand" kaum noch Anhänger haben. Und mit dem noch deutlich stärkeren Begriff der "Ehre" können wir gar nicht mehr umgehen. Wie überlassen ihn fast gänzlich den Rechten der stumpfesten Sorte oder sonstigen primitiv archaischen Kulturen. ("Gott! Ehre! Vaterland!" ist einer ihrer Schlachtrufe – aber wieso nicht auch unserer? Okay, "Gott" und "Vaterland" sind natürlich Ansichtssache…)

Mit der normalen Würde verhält es sich jedenfalls wieder ganz entzückend einfach und pragmatisch! Es gibt hier kein Dogma, dass jeder "die gleiche Menge Würde" hat! (Wie langweilig! Wie mechanisch! Wie starrsinnig und kindisch!) Es gibt hier nur die Taten, die zählen, im Positiven wie im Negativen, und es ist durchaus möglich, ein würdeloses Arschloch zu sein, ein Mensch ohne Würde, zumindest mit herzlich wenig Würde.

Diese normale Würde hat auch die wundervolle Eigenschaft ganz real "unantastbar" zu sein! (Sonst ist damit ja nur "indiskutabel" gemeint…) Es ist in einem Gewaltverbrechen der Täter, der seine eigene Würde beschädigt! Das Opfer erleidet zwar eine tiefe Mißachtung seiner Grundrechte und seines Rechts auf Anerkennung und Respekt – wodurch auch das Selbst-Bewusstsein und das Würde-Empfinden erschüttert werden kann – aber es erleidet nicht wirklich, nicht objektiv, einen Würde-Schaden! (Und dieser Gedanke wirkt auf mich sogar heilsam und tröstend in Hinblick auf die Juden und andere Opfer des Dritten Reiches. An ihrer Würde wurde nichts verbrochen!)

Das menschliche Bewusstsein kann also mit allerlei heeren Begriffen ausgestattet sein – und doch das Wesentlichste verfehlen. Ja, gerade weil man diese heeren Begriffe in seinem Bewusstsein mit sich herum trägt. Das Unmittelbare, die Unmittelbarkeit geht verloren. Letztlich kann es dahin kommen, dass man die Menschlichkeit verfehlt. Dass man sie nicht mehr umittelbar erkennt. Dass man etwas mit einem Nazi gemein hat…

Genau genommen kann auch ein Begriff wie "die Menschlichkeit" schon eine Entfernung von der Unmittelbarkeit bewirken. Dies ist aber letztlich auch ein unvermeidbarer Bestandteil menschlicher Existenz. Begriffe sind eben Begriffe und Erfahrung ist Erfahrung. Eine gewisse Spannung zwischen Realität und Begriffen ist natürlich.

Das Bundesverfassungsgericht entscheidet aller Voraussicht nach dieses Jahr über die Kriminalisierung der Sterbehilfe in der letzten Legislaturperiode. Ich mache mir etwas Sorgen über die Richter: Kennen sie noch Würde? Kennen sie noch Anstand? Haben sie Ehre? Sind sie menschlich? – Im Bundestag hat die Mehrheit diesbezüglich versagt. – Ich würde ihnen gerne zurufen: Vergesst all die Jahre Eures Jura-Studiums! Vergesst all die Begriffe und Konstrukte in Eurem Kopf! Vergesst alle Paragraphen! Schließt die Augen, atmet tief durch, und nehmt Kontakt mit Eurem Mensch-Sein auf. Und urteilt dann erst über richtig und falsch. Und behandelt andere so, wie Ihr selbst behandelt werden wollt.




... link (0 Kommentare)   ... comment







Sonntag, 11. Februar 2018

Die Flüchtlingskrise / Völkerwanderung kostet Deutschland X Milliarden im zweistelligen Bereich.

Ein Rechter: "Das Geld hätte man in deutsche Schulen, Krankenhäuser und Pflegeheime stecken können."

Ein Linker: "Deutschland spart derzeit extrem viel Geld durch günstige Kredite am Finanzmarkt. Da kann man sich das locker mal leisten. "

Ein effektiver Altruist: "Hätte man das Geld zur Hilfe im Ausland aufgewandt, hätte man wohl 10 mal so viel Menschen helfen können."

Hans Müller: "Die Hälfte des Geldes in deutsche Schulen und Krankenhäuser! Die andere ins Ausland!" (Hans Müller ist ein Rechter mit Anstand und Sympathien für den effektiven Altruismus…)

Wikipedia – Effektiver Altruismus:

"Der Effektive Altruismus (abgekürzt EA) ist eine Philosophie und soziale Bewegung der frühen 2010er Jahre, die darauf abzielt, die beschränkten Ressourcen Zeit und Geld optimal einzusetzen, um das Leben möglichst vieler empfindungsfähiger Wesen möglichst umfassend zu verbessern. Als Mittel hierzu dienen empirische Erkenntnisse und rationale Argumente.

Effektive Altruisten streben danach, alle bekannten Ursachen und Maßnahmen zu berücksichtigen, um so zu handeln, dass ihr Handeln die größten positiven Auswirkungen hat. Dieser auf Evidenz basierende Ansatz unterscheidet den Effektiven Altruismus vom traditionellen Altruismus oder der klassischen Wohltätigkeit. Zu Befürwortern des Effektiven Altruismus zählen Facebook-Mitgründer Dustin Moskovitz, die Philosophen William MacAskill, Toby Ord, Peter Singer, Thomas Pogge sowie die professionelle Pokerspielerin Liv Boeree."

https://www.2-euro-helfen.de/ (Spenden! Jetzt!)

"Mit 2 Euro im Monat finanzierst du einem Schulkind eine Schuluniform – mit 6 Euro im Monat gleich die ganze Schulgebühr."

Mit 20 Milliarden könnte man demnach 277 Millionen Kindern ein ganzes Schuljahr finanzieren.

Wie schade!

Deutschland hat nur den zweitbesten Weg gewählt…

Schade vor allem für die Menschen, denen nun nicht geholfen wird.




... link (0 Kommentare)   ... comment







Freitag, 9. Februar 2018

Wo sind eigentlich all die Konstruktivisten hin? In der Philosophie begegnet man ihnen viel zu häufig. Dort tummeln sie sich ständig um das Thema "Wahrheit" herum und betonen stets, wie kompliziert es mit dieser sei, ja dass es sie praktisch gar nicht gäbe.

Nicht so in der Politik. Da ist die Welt voll von Vereinfachern und Schwarz-Weiß-Denkern. Die "Wahrheit" wird hier mitunter peinlich genau festgelegt. Die konstruktivistische Natur einer Aussage und ihrer Interpretation wird komplett außer Acht gelassen. Stattdessen wird sogar ein sozialer Zwang erhoben, sich der festgelegten Wahrheit anzuschließen. Bestes Beispiel derzeit: "Die AfD ist eine Nazi-Partei." Anhänger dieser Wahrheit halten es für ihre moralische Pflicht, an der unangreifbaren Stellung dieser Wahrheit in der Gesellschaft mitzuarbeiten. Sie tun es, indem sie sich selbst ganz stark von dieser Wahrheit überzeugt geben. Sie tun es, indem sie "glauben". Sie tun es, indem sie es immer wieder behaupten.

Damit ist das Spiel dann festgelegt: Die Guten sind die mit weißer Fahne, die Bösen sind die mit schwarzer Fahne (bzw. blauer Fahne). Und nun musst Du Dich zum richtigen Lager bekennen!

 

Konstruktivismus (0) des Himmelsreichs Schlüssel

"Und ich will dir des Himmelsreichs Schlüssel geben: alles, was du auf Erden binden wirst, soll auch im Himmel gebunden sein, und alles, was du auf Erden lösen wirst, soll auch im Himmel los sein." bibeltext.com

These: Die Bindungen und Nicht-Bindungen, um die es hier geht, sind die Assoziationen in unserem Kopf. Wir erschaffen/interpretieren/erkennen etwas und ordnen diesem etwas Eigenschaften, Namen, Qualitäten, Wertungen, Gefühle, Assoziationen zu. Wer diese Tätigkeit mit der Freiheit und Kraft seines "Geistes" ausübt, der ist der beste Verwalter der Realität und setzt die besten Maßstäbe. Die Gültigkeit der Bindungen reicht dann bis in den Himmel.

 

Konstruktivismus (1) Ehe

Die Ehe ist eine Realität, die existiert, weil wir daran glauben und uns entsprechend verhalten.

"Und hiermit erkäre ich Sie zu Mann und Frau."

(Es können nicht alle emotional mit der Homo-Ehe mitgehen. Wenn ja, ist das okay. Aber als Konstrukt ist die Homo-Ehe natürlich genauso gültig wie die Hetero-Ehe.)

 

Konstruktivismus (2) "Deutschland"

Staatsvolk, Staatsgebiet, Staatsrecht, Staatstraditionen, Kultur, Bräuche, Symbole, die Fahne, die Hymne… – plus der Glauben des Bürgers an (s)ein Deutschland.

 

Konstruktivismus (3) Ehe und Staat – äußere und innere Zwänge

Der Glaube an eine Ehe und der Glaube an einen Staat und ein Land sind im Grunde sehr ähnlich.

Dabei sollte klar sein: Es sollte niemand zwangsverheiratet werden. Weder mit einem Menschen, noch mit einer Nation, noch mit Ideen. – Es sollte auch niemand zwangsgeschieden werden. Wer seine Ehe liebt, sollte sie auch leben dürfen. – Ein innerer Zwang, der aufgrund eines aufgesetzten Glaubens an die Heiligkeit des "Bundes" fordert, unbedingt an diesem festzuhalten, ist natürlich ungesund. Ein solches Konstrukt ist dann wie vergiftet.

 

Konstruktivismus (4) Gruppen

AfD-ler, Muslime, Scientologen, Grüne, Flüchtlinge, Linke, Rechte, Deutsche, Türken, Europäer

– "vorgestellte Gemeinschaften"

Bezüglich vieler Menschengruppen gibt es die Konstrukteurs-Pflicht, sie genügend positiv zu konstruieren, oder zumindest nicht betont negativ ("Volksverhetzung"). Dies gilt allerdings nicht bei allen Gruppen…

 

Konstruktivismus (5) die wahre AfD, der wahre Islam

"Die AfD ist eine Nazi-Partei und der Islam ist eine Terror-Religion."

"Die AfD ist eine bürgerliche, liberal konservative Partei und der Islam ist eine Religion des Friedens."

 

Konstruktivismus (6) "die neue Rechte"

Demnächst auch: die allerneueste neue Rechte. Sie wird die größte, schönste und beste Rechte, die es je gab.

 

Konstruktivismus (7) Reichsbürger

Genies des Konstruktivismus!

 

 




... link (0 Kommentare)   ... comment







Sonntag, 4. Februar 2018

Der Populismus-Vorwurf ist in den allermeisten Fällen selbst wieder nur ein Populismus:

Weitgehend inhaltsleer, pauschalisierend, ausgrenzend, manipulativ, die Angst und die Stumpfheit der Menschen ausnutzend. Diffamierend. Unehrlich. Mit der Hinterabsicht, Anhänger zu rekrutieren, den politischen Gegner schlecht zu machen. Gesinnungsorientiert.

"die rechtspopulistische AfD", "die linkspopulistische Linke", …

Es ist schade, dass wir keine anständigeren Journalisten und Nachrichtenschreiber haben.




... link (0 Kommentare)   ... comment







Samstag, 27. Januar 2018

Meine Liebe ist begrenzt.

 

"Linke" – und alle anderen – messe ich vor allem an einem Kriterium: Wie oft haben sie eine Münze für einen Obdachlosen? (In Berlin gibt es dazu täglich mehrmals Gelegenheit.) Wer nicht öfter mal sein Portmonnaie herausholt, kann mir gestohlen bleiben. Und er sollte sich auch nicht "links" nennen, finde ich.

Ich versuche, öfter etwas zu geben. Nationalität oder Rasse des Obdachlosen interessiert mich dabei übrigens nicht die Bohne. Außer ich habe den Eindruck, ich gerate an eine "professionelle Bettlergruppe". Hier gibt es eine schwache Korrelation in meinem Bewusstsein zu Sinti und Roma. Aber es ist im Grunde nicht die Volkszugehörigkeit, sondern mein im Einzelfall aufkommender Verdacht, dass sich hier ein Mensch mehr oder weniger bewusst für einen Lebensweg entschieden hat, bei dem er auf jede höhere Entwicklung seiner Persönlichkeit verzichtet (was ich grundsätzlich übel nehme). Diese Sorte Obdachlose strahlt nicht primär Elend aus, sondern sogar eine gewisse diebische Selbstzufriedenheit, irgend eine Form von falscher Genügsamkeit. Man hat sich im Primitiven eingerichtet. (Es ist nicht die Genügsamkeit eines buddhistischen Bettelmönchs, die mit geistiger Strenge, Disziplin und Höhe gepaart ist.)

 

ist begrenzt… Hier ist sie: die Grenze! Die Grenze, auf die es letztlich ankommt!

Oder nicht?

Ich verstehe nicht, warum alle Leute (die "Linken") so sehr auf die Überwindung "nationaler Grenzen" fixiert sind. Die nationalen Grenzen sind doch nur ein Formenspiel auf der großen Leinwand menschlicher Existenz. (Ein Formenspiel, das möglicherweise tiefer im menschlichen Bewusstsein verankert ist, als Linke es wahrhaben wollen.) Die Grundkrankheit der begrenzten Liebe wird jedenfalls nicht oder nur sehr eingeschränkt dadurch behoben, dass man die nationalen Grenzen aufhebt. Bereits jetzt kann unsere Liebe ganz widerstandslos über nationale Grenzen hinweg geschickt werden. Man braucht nur seine PIN- und TAN-Nummern griffbereit und kann loslegen.

Ein Jörg Meuthen von der AfD hat übrigens vier Patenkinder in Afrika: https://www.taz.de/!5281073/

 




... link (1 Kommentar)   ... comment







Donnerstag, 25. Januar 2018

Eine Aussage wie "Breivik ist aus Verzweiflung heraus zum Massenmörder geworden" wird als "Relativierung" verstanden:

http://www.tagesspiegel.de/politik/afd-politiker-jens-maier-der-verschwundene-beweis-am-rechten-rand/20881626.html

https://www.vorwaerts.de/artikel/afd-politiker-jens-maier-breivik-handelte-verzweiflung

Ich bleibe derweil an der Frage hängen, ob nicht auch Psychopathen an Verzweiflung leiden können und ob nicht gerade diese Verzweiflung den letzten Schub liefern kann, um zu einem Massenmörder zu werden. Ist Verzweiflung vielleicht nicht sogar die Hauptkomponente für alles Psychopathen-Dasein? – Und auch, wer den Psychopathen unbedingt als "entarteten Menschen" ausgrenzen will, der kann ihm doch nicht automatisch die Verzweiflung absprechen. Dann ist es eben eine psychopathische Verzweiflung. Ja, auch Psychopathen sind Menschen. Ich denke, es hat jeder die Bilder vom weinenden Breivik im Gerichtssaal gesehen… (Ich hatte mindestens so viel Mitgefühl mit ihm wie mit einem Kind, das über einen verlorenen Schnuller weint.)

Aber was interessieren uns anständige Demokraten schon solche psychologisch menschlichen Erwägungen! Unser politischer Gegner hat etwas gesagt, das für uns verdammt nach "Relativierung" klingt! Also raus mit dieser Nachricht! Als Warnung! Als erneute Bestätigung für die schlimme Gesinnung unserer Gegner! Als erneute Bestätigung unserer selbst.

Aber was ist damit schon gewonnen?

Ich wünsche mir einen anderen Journalismus. Ich hätte hier lediglich eine reine Fakten-Berichterstattung vorgelegt. Dieses und jenes wurde gesagt. Und fertig. Wer hier das Urteil "Relativierung" anfügen will, der kann es ja tun. Aber bitte als Leser und nicht als Berichterstatter. Im übrigen ist "Relativierung" auch so ein Wortungetüm, das wiedermal reichlich Wertung beinhaltet ohne klar definiert zu sein. Zumindest ist der wertende Anteil darin sehr irrational, so scheint es mir. Der Gegner führt eine Perspektive ein, die einem nicht passt, weil die schöne, einfache Schwarz-Weiß-Welt mit Guten und Bösen und klarer Schuldzuschreibung angegriffen wird. Das muss ein Werk des Bösen sein!… (Und wer weiß, vielleicht ist es das ja auch?...)




... link (0 Kommentare)   ... comment







Donnerstag, 18. Januar 2018

Für den Fall, dass wir dieses Jahr doch nochmal die Ehre haben, an die Wahlurnen gerufen zu werden. Eine Suggestion:

Es ist vollkommen okay, die AfD zu wählen.
Es ist vollkommen okay, die AfD zu wählen.
Es ist vollkommen okay, die AfD zu wählen.
Es ist vollkommen okay, die AfD zu wählen.
Es ist vollkommen okay, die AfD zu wählen.

Ich schreibe dies nicht, weil ich behaupte, dies sei eine einfache, klare Wahrheit.

Ich schreibe dies auch nicht, weil ich will, dass Du dies glaubst.

Ich schreibe dies nur deswegen nieder, um dem Überangebot an entgegengesetzten Suggestivbotschaften im öffentlichen Raum eine entsprechende Gegenkraft beizufügen.

Auf dass sich Kraft und Gegenkraft aufhebt, und sich auch schwache, beeinflussbare Geister wieder auf die eigene Meinung besinnen können. Dann könnte man mal ganz unvoreingenommen zum AfD-Programm greifen und schauen, was einem dort gefällt und was nicht. Frei von moralischen Verboten, subtiler Verkrampftheit, sonstigem irrationalen, psychischen Druck und sozial programmierter Voreingenommenheit.

Wir kennen in unserer Demokratie das Prinzip der geheimen Wahl, weil wir um die Schwäche und Beeinflussbarkeit des Individuums wissen. Und weil wir um den häßlichen Trieb des Menschen zur Übergriffigkeit wissen.

Was uns in diesem Bewusstsein noch fehlt, ist das ausdrückliche Prinzip und der Wille zum Verzicht auf Suggestionen. Denn uns fehlt grundsätzlich die Disziplin zu einer inneren Sauberkeit und – damit zusammenhängend – zur Fairness im Umgang miteinander. Stattdessen bedrängen wir uns ständig gegenseitig, sind übergriffig und wollen die Bewusstseinsinhalte und das Verhalten unserer Mitmenschen auf ziemlich grobe Art und Weise bestimmen. Und meistens geschieht das deswegen, weil auch unser Kopf nicht wirklich uns gehört. Es herrscht ein kleiner Krieg in uns und unter uns.

Es ist vollkommen okay, die AfD zu wählen.
Es ist vollkommen okay, die AfD zu wählen.
Es ist vollkommen okay, die AfD zu wählen.
Es ist vollkommen okay, die AfD zu wählen.
Es ist vollkommen okay, die AfD zu wählen.

Hinweise zur Benutzung:

Man spreche den Satz ohne jeglichen Glaubenszwang. Die Absicht zum Andersglauben ist nicht notwendig. Man spreche ihn also immer wieder aus und lasse alles hochkommen, was hochkommt. Wenn sich jedes Mal eine Gegenstimme meldet, die sagt "Nein, es ist nicht okay!", ist das kein Problem. Man spreche unbeirrt weiter, ohne jegliche Wertung von Stimme oder Gegenstimme. Wenn sich auf die Dauer nichts ändert, dann lasse man davon ab. Möglicherweise aber passiert auch ein plötzliches Umschlagen der vorgefassten Meinung.

Falls der Satz überhaupt nicht mit dem eigenen Gefühl kompatibel ist, kann man auch den Versuch machen, ihn anzupassen, die Formulierung etwas zu variieren.

Es ist exakt diese Phänomenlage, die der erste und vielleicht einzige Grund ist, dass ich so einen Blog hier verzapfe.

Ich bin, wie gesagt, empfindlich, wannimmer es um die innere und äußere Freiheit des Menschen geht. Und ich bin empfindlich, wenn es um die Ehrlichkeit des Menschen und das Einlösen von Versprechen geht. Ehrlichkeit, Zu-seinem-Wort-Stehen und Demokratie sind für mich immernoch Ideale. Da ich das Versprechen der "Demokratie" (das Etikett, die Behauptung) immernoch einigermaßen ernst nehme (naiverweise?), bin ich also leicht zu triggern, wenn ich Kräfte bemerke, die der Demokratie entgegen wirken.

Eine Demokratie ist aber immer nur so gut realisiert, wie auch der einzelne Mensch in ihr das notwendige Maß von Mündigkeit / geistiger Reife und Selbstständigkeit aufweist. Wenn große Teile der Bevölkerung unter dem Druck einer Ideologie oder einzelner, wahnhafter Ideen stehen, ist es mit der Demokratie nicht weit her. Denn dann ist die "freie Wahl" an der Urne meistens nicht mehr wirklich frei. (Hier ließe sich natürlich auch die grundsätzliche Frage aufwerfen, inwieweit der Mensch von heute überhaupt schon reif für die Demokratie ist. Und diese Frage ließe sich vielleicht genauso gut bejahen wie verneinen.)

Im gleichen Sinne hilft auch keine Glaubensfreiheit, die vorrangig auf dem Papier existiert: Es gibt in der Tat immernoch Menschen unter uns, die noch Mitglied in einer der großen Kirchen sind, weil sie sich einfach nicht trauen, auszutreten! Es sollte uns unglaublich in den Ohren klirren, dass so etwas sich immernoch unter "Erwachsenen" ereignet. Es sollte Lachen oder Erstaunen oder völlige Konsterniertheit erzeugen. Aber es ist immernoch zu normal für uns. Immernoch wirkt der eigentlich kindische Glaube an Himmel und Hölle in vielen unserer Gehirne. (Es gibt nicht wenige Kopftuchträgerinnen, die ihr Kopftuch nicht ablegen können – aus Angst vor Allah, aus Angst vor den Gott-Konzepten, die man ihnen eingetrichtert hat.)

Muss ich den ungeheuren Druck erläutern, der bezüglich der AfD vom Mainstream her erzeugt wurde?

Würdest Du Dich auch nur trauen, Dein Kreuz bei der AfD zu machen? Und dann öffentlich dazu stehen?

Könntest Du mit einem Freund, der AfD gewählt hat, in der U-Bahn sitzen und offen mit ihm über Politik und seine Wahlentscheidung reden? Oder würdest Du lieber als jemand dastehen, der keine AfD-Wähler persönlich kennt? Wäre es Dir peinlich? Und würdest Du vielleicht sogar befürchten, Pöbeleien ausgesetzt zu sein?

Es ist vollkommen okay, die AfD zu wählen.
Es ist vollkommen okay, die AfD zu wählen.
Es ist vollkommen okay, die AfD zu wählen.
Es ist vollkommen okay, die AfD zu wählen.
Es ist vollkommen okay, die AfD zu wählen.

 




... link (0 Kommentare)   ... comment







Freitag, 8. Dezember 2017

Zu den gröbsten Anzeichen unseres irgendwie schief gelagerten Zeitgeists gehört, dass es noch nichtmal eine prägnante, gesellschaftlich etablierte Ausdrucksmöglichkeit für die Einstellung gibt, "Fremde" einfach nur nicht zu "mögen" und sie nicht in der eigenen Nähe haben zu wollen, während man ihnen durchaus alles Gute der Welt wünscht. – Wer so etwas tut, ist per Definition nämlich "fremdenfeindlich". Es wird also ein "Feind" aus einem gemacht, bzw. jemand, der in den anderen Feinden sieht. Es wird "Feindlichkeit" unterstellt. Dies ist nicht nur eine sprachtypische Ungenauigkeit: An der Tatsache, dass diese eine Schublade "fremdenfeindlich" sowohl für mildere Formen verwendet wird als auch für die extremen Formen, bei denen Asylheime brennen, Menschen angegriffen und Hakenkreuze verbreitet werden, zeigt sich, dass überhaupt gar kein politisches und weltanschauliches Interesse daran besteht, hier auch nur ansatzweise zu differenzieren. Es wird suggeriert, dass es sich im Grunde um ein und dasselbe Phänomen handelt: Fremde nicht zu mögen und ihre Häuser anzuzünden. Hieraus spricht nicht nur der Unwille zur Differenzierung, sondern auch eine gewisse Stumpfheit in der Wahrnehmung von Emotionen. Man kennt keinerlei Grade und Unterschiede, keine unterschiedliche Qualitäten und keine Grautöne. Vor allem kennt man nicht den Unterschied zwischen "Nicht-Mögen" und "Hassen". Die offensichtliche Möglichkeit der Differenzierung wird durch eine sehr grobe Schubladenpraxis aktiv unterdrückt. Alles ist Fremdenfeindlichkeit und "Fremdenfeindlichkeit ist Menschenfeindlichkeit". Punkt.

So bleibt in der Sprache und im Denken praktisch nichts mehr übrig, um sich auch nur ausdrücken zu können. Abgesehen von langen, erklärenden Satzkonstruktionen gibt es kein griffiges Adjektiv, das eine "milde Form von Fremdenfeindlichkeit" ausdrückt – hier dient dieser Ausdruck auch nur als ungefähre Annäherung an das Gemeinte (s.o.).


Ein Mangel an Ausdrucksmöglichkeit, ein fehlender Ankerpunkt in der kollektiven Sprachmatrix, halte ich für grundsätzlich verdächtig. Insbesondere wenn er aktiv oder grob fahrlässig verhindert wird oder bewusst nicht gesucht wird. Für mich, der in "geistigen Dingen" sehr empfindlich ist, ist die Blockierung und Verhinderung von Ausdruck eine Ur-Kategorie von Verbrechen. Ein Mangel an Ausdrucksmöglichkeit ist immer ein Notstand, den eine geistige Gemeinschaft zu überwinden suchen sollte, egal welche politische Agenda davon profitieren würde. Ausdruck ist eines der kostbarsten Dinge für den Geist.

Der hier bestehende Mangel hat natürlich auch etwas mit der Geisteswelt der Allgemeinheit zu tun. Bzw. mit der Geisteswelt der Zeitungs- und Nachrichtenschreiber. Wenn an eine "milde und tolerierbare Form von Fremdenfeindlichkeit" noch nicht einmal geglaubt wird (geglaubt werden will, geglaubt werden kann), kann man sich sprachlich noch so um begriffliche Neuschöpfungen bemühen. Eine Kommunikation oder gar Spracherweiterung wird dann nicht stattfinden.

Die Kommunikation, die möglich sein sollte und hier gemeint ist, verlangt eigentlich nur ein Minimum an Gutgläubigkeit gegenüber dem Sender der Botschaft. Doch mir scheint, diese Gutgläubigkeit, dieses Glauben an das Gute, will partout nicht aufgebracht werden. Eine "gute (nicht-böse) Fremdenfeindlichkeit" will man nicht zulassen. Eine gute Gesinnung am Boden eines Menschen, der gegen (zuviel) Zuwanderung und (zuviel) Multikulti ist, will man nicht anerkennen und nicht beglaubigen.

Ein Grund für die Unwilligkeit, eine "nicht-böse Fremdenfeindlichkeit" sozial zu akzeptieren und ihr eine faire sprachliche Bezeichnung zu gönnen, besteht sicherlich auch in der Angst vor den Folgen. Man befürchtet, dass man die "böse Fremdenfeindlichkeit" dadurch stärken könnte. Man hat Angst vor einer Art "Dammbruch". Die Begleiterscheinungen von Pegida, tätliche Angriffe auf "Fremde", scheinen dies zu bestätigen.

Ich habe aber den Verdacht, dass auch das Gegenteil wahr sein könnte. Indem man die "nicht-böse Fremdenfeindlichkeit" ständig unterdrückt, nicht anerkennt und unfair und unsachlich einordnet, nährt man die Unzufriedenheit und den Hass in den Menschen. Unterdrückung ist per se nichts, was die Menschen glücklicher, ausgeglichener und zufriedener macht. Und die Form der Unterdrückung ist ja auch verflucht elementar. Sie ist verflucht gründlich. Sie setzt bereits im Geist und seinen Ausdrucksmöglichkeiten an. Sie wird im tendenziösen Gebrauch der öffentlichen Sprache und ihren undifferenzierten Kategorien und Werturteilen mitgetragen. Sie besteht in der offen direkten und subtil hintergründigen Verneinung des eigenen moralischen Seins. Sie besteht in dem tiefen und wirksamen Ausdruck moralischer Geringschätzung. Sie besteht in der Unverschämtheit, Signale zu senden wie "Du bist unmoralisch" oder "Du bist dumm".

Dass sich hier "Hass" aufstaut, erscheint mir nur logisch. Ein tiefer Instinkt fühlt sich unterdrückt, beleidigt, nicht akzeptiert und ungerecht behandelt. Und so könnte es durchaus auch sein, dass die negativen Begleiterscheinungen von Pegida nicht in erster Linie der "natürliche Ausdruck" von nicht weiter zu differenzierender "Fremdenfeindlichkeit" sind, sondern von aufgestautem Frust über die ständige Unterdrückung. Der "Fremde" wird dann vorrangig als Symbol dieser geistigen Unterdrückung und Fremdbestimmung im eigenen Lebensraum wahrgenommen – und das ist provozierender als alle "Fremdheit".




... link (1 Kommentar)   ... comment







Montag, 20. November 2017
http://www.focus.de/politik/deutschland/jamaika-aus-im-news-ticker-spd-will-keine-grosse-koalition-und-fordert-neuwahlen_id_7871774.html

"Es habe nie eine geschlossene Idee aller Verhandlungspartner für ein Jamaika-Bündnis gegeben."

– wozu ist denn eine "geschlossene" Idee nötig? Ist das nicht auch wieder so eine politische Phantasterei? (Wie so viel in der Politik...)

Und wieso heißt diese Idee nicht einfach "Deutschland", "gemeinsame Politik", "Einsatz für die Menschen", "für uns und unsere Nachbarn" ...

Politische Ideolog(i)en wollen immer an den falschen Stellen schlau sein. Oder so.


Entweder der Fokus ist hier überhaupt nicht zitierfähig oder Politiker sind wirklich von Grund auf dumm.



... link (0 Kommentare)   ... comment







Montag, 30. Oktober 2017

Unten ein paar Nietzsche-Zitate. Die ersten zwei betonen den Aspekt der persönlichen Beziehung eines Individuums zur Moral. (Entsprechende Stellen sind fett hervorgehoben.) Nietzsche möchte offenbar das Individuum stärken und es ermuntern, sich seine eigene Moral zu bilden.

Ich halte dies für eine wertvolle Anregung und es ist in einem weiteren Sinne auch nur die Anwendung eines Standardthemas für alle Philosophen: Sie alle möchten zu einem tieferen und gründlicheren Nachdenken anregen. Aber an einem Punkt schießt Nietzsche für mich über das Ziel hinaus. Nämlich dort, wo er das "Gute an sich" als bloßes Hirngespinst darstellt (siehe 2. Zitat). Die Art und Weise, wie er es ausführt, scheint zwar insgesamt stimmig. Er überzeugt mich, wenn er die Frage stellt: "Was zerstört schneller, als ohne innere Notwendigkeit, ohne eine tief persönliche Wahl, ohne Lust arbeiten, denken, fühlen?" – Aber den Begriff vom "Guten an sich", den lasse ich mir deshalb noch nicht kaputt machen. Und dies halte ich für sehr wichtig. Ich spüre, dass meine seelische Gesundheit davon abhänigig ist, an "das Gute" zu glauben, das "objektiv" ist. Das weder von mir, noch einem anderen, noch von irgendwelchen Zielsetzungen abhänigig ist. All das, was ich im moralischen Sinne "gut" nenne, ist in meinem Glauben zu ca. 90% objektiv. Ich bin offen dafür, dass ich mich vielleicht in einigen Dingen täusche, und ich habe es auch nicht nötig, meine Normen für alle Welt verbindlich zu erklären. Aber es ist eben auch mein persönliches Verhältnis zur Moral, dass ich hier an eine gewisse Objektivität der Werte glaube. Siehe z.B. auch die "Goldene Regel": Behandle andere, wie Du selbst behandelt werden willst. Die Wahrheit über "das Gute" ist letztlich sogar ein bißchen langweilig. Im Großen und Ganzen stimmen die etablierten Anschauungen. "Liebe", Opferbereitschaft, Verzichten, Teilen, Mitgefühl, das Denken an andere (Menschen wie Tiere) – all das sind gute Hinweise. Natürlich betreibt der Mensch mit seinem komplizierten Ego auch häufig Mißbrauch und Selbsttäuschungen um diese Begriffe, aber das ändert nichts an der prinzipiellen Richtigkeit dieser Denkrichtung.

Ich versuche immernoch, Stellen bei Nietzsche zu entdecken, in denen er offen für dieses Denken ist, aber ich habe sie bisher nur mit viel gutem Willen in einigen Nebensätzen und Adjektiven als Andeutungen "gefunden" – im Grunde zu wenig, um es ihm wirklich zuzurechnen. Stattdessen findet man zwar eine allgemeine Wertschätzung der Moral, aber nur in einem sehr technisch funktionalen und psychologischen Sinne. Sie scheint für ihn nur Mittel zum Zweck zu sein. Er nennt sie z.B. "Medizin". Er sieht sie eigentlich immer im Kontext von Evolution. Er sieht sie wohl überhaupt nur in irgendeinem Kontext, also wenn es irgend ein "hohes Ziel" gibt. Das "an sich" gibt es für ihn in der Moral nicht. Das "Gute" als Selbstzweck, als höhere Form von Schönheit, kennt er nicht – also, darf man folgern?: er kennt "das Gute" überhaupt nicht?

Nichtsdestotrotz ist sein Scharfsinn beeindruckend. Innerhalb seines "beschränkten" Moralverständnisses ist er ein Meister psychologischer Analyse und immernoch eine Inspiration. Siehe Zitate 3 und 4.


1)

Nietzsche, Friedrich, Morgenröte, Zweites Buch, 107. Unser Anrecht auf unsere Torheit

Und wenn die Vernunft der Menschheit so außerordentlich langsam wächst, daß man dieses Wachstum für den ganzen Gang der Menschheit oft geleugnet hat: was trägt mehr die Schuld daran als diese feierliche Anwesenheit, ja Allgegenwart moralischer Befehle, welche der individuellen Frage nach dem Wozu? und dem Wie? gar nicht gestattet, laut zu werden? Sind wir nicht darauf hin erzogen, gerade dann pathetisch zu fühlen und uns ins Dunkle zu flüchten, wenn der Verstand so klar und kalt wie möglich blicken sollte! Nämlich bei allen höheren und wichtigeren Angelegenheiten.

2)

Nietzsche, Friedrich, Der Antichrist, 11

Ein Wort noch gegen Kant als Moralist. Eine Tugend muß unsre Erfindung sein, unsre persönlichste Notwehr und Notdurft: in jedem andern Sinne ist sie bloß eine Gefahr. Was nicht unser Leben bedingt, schadet ihm: eine Tugend bloß aus einem Respekts-Gefühle vor dem Begriff »Tugend«, wie Kant es wollte, ist schädlich. Die »Tugend«, die »Pflicht«, das »Gute an sich«, das Gute mit dem Charakter der Unpersönlichkeit und Allgemeingültigkeit – Hirngespinste, in denen sich der Niedergang, die letzte Entkräftigung des Lebens, das Königsberger Chinesentum ausdrückt. Das Umgekehrte wird von den tiefsten Erhaltungs- und Wachstumsgesetzen geboten: daß jeder sich seine Tugend, seinen kategorischen Imperativ erfinde. Ein Volk geht zugrunde, wenn es seine Pflicht mit dem Pflichtbegriff überhaupt verwechselt. Nichts ruiniert tiefer, innerlicher als jede »unpersönliche« Pflicht, jede Opferung vor dem Moloch der Abstraktion. – Daß man den kategorischen Imperativ Kants nicht als lebensgefährlich empfunden hat!... Der Theologen-Instinkt allein nahm ihn in Schutz! – Eine Handlung, zu der der Instinkt des Lebens zwingt, hat in der Lust ihren Beweis, eine rechte Handlung zu sein: und jener Nihilist mit christlich-dogmatischen Eingeweiden verstand die Lust als Einwand... Was zerstört schneller, als ohne innere Notwendigkeit, ohne eine tief persönliche Wahl, ohne Lust arbeiten, denken, fühlen? als Automat der »Pflicht«? Es ist geradezu das Rezept zur décadence, selbst zum Idiotismus... Kant wurde Idiot. – Und das war der Zeitgenosse Goethes! Dies Verhängnis von Spinne galt als der deutsche Philosoph – gilt es noch!... Ich hüte mich zu sagen, was ich von den Deutschen denke...

3)

Nietzsche, Friedrich, Die fröhliche Wissenschaft, Fünftes Buch. Wir Furchtlosen, 345. Moral als Problem

… oder daß sie umgekehrt, nachdem ihnen die Wahrheit aufgegangen ist, daß bei verschiedenen Völkern die moralischen Schätzungen notwendig verschieden sind, einen Schluß auf Unverbindlichkeit aller Moral machen: was beides gleich große Kindereien sind. Der Fehler der Feineren unter ihnen ist, daß sie die vielleicht törichten Meinungen eines Volks über seine Moral oder der Menschen über alle menschliche Moral aufdecken und kritisieren, also über deren Herkunft, religiöse Sanktion, den Aberglauben des freien Willens und dergleichen, und ebendamit vermeinen, diese Moral selbst kritisiert zu haben. Aber der Wert einer Vorschrift »du sollst« ist noch gründlich verschieden und unabhängig von solcherlei Meinungen über dieselbe und von dem Unkraut des Irrtums, mit dem sie vielleicht überwachsen ist: so gewiß der Wert eines Medikaments für den Kranken noch vollkommen unabhängig davon ist, ob der Kranke wissenschaftlich oder wie ein altes Weib über Medizin denkt. Eine Moral könnte selbst aus einem Irrtume gewachsen sein: auch mit dieser Einsicht wäre das Problem ihres Wertes noch nicht einmal berührt. – Niemand also hat bisher den Wert jener berühmtesten aller Medizinen, genannt Moral, geprüft: wozu zuallererst gehört, daß man ihn einmal – in Frage stellt. Wohlan! Dies eben ist unser Werk. –

4)

Nietzsche, Friedrich, Jenseits von Gut und Böse, Fünftes Hauptstück. Zur Naturgeschichte der Moral, 188

Jede Moral ist, im Gegensatz zum laisser aller, ein Stück Tyrannei gegen die »Natur«, auch gegen die »Vernunft«: das ist aber noch kein Einwand gegen sie, man müßte denn selbst schon wieder von irgendeiner Moral aus dekretieren, daß alle Art Tyrannei und Unvernunft unerlaubt sei. Das Wesentliche und Unschätzbare an jeder Moral ist, daß sie ein langer Zwang ist: um den Stoizismus oder Port-Royal oder das Puritanertum zu verstehn, mag man sich des Zwangs erinnern, unter dem bisher jede Sprache es zur Stärke und Freiheit gebracht – des metrischen Zwangs, der Tyrannei von Reim und Rhythmus. Wieviel Not haben sich in jedem Volke die Dichter und die Redner gemacht! – einige Prosaschreiber von heute nicht ausgenommen, in deren Ohr ein unerbittliches Gewissen wohnt – »um einer Torheit willen«, wie utilitarische Tölpel sagen, welche sich damit klug dünken, – »aus Unterwürfigkeit gegen Willkür-Gesetze«, wie die Anarchisten sagen, die sich damit »frei«, selbst freigeistisch wähnen. Der wunderliche Tatbestand ist aber, daß alles, was es von Freiheit, Feinheit, Kühnheit, Tanz und meisterlicher Sicherheit auf Erden gibt oder gegeben hat, sei es nun in dem Denken selbst, oder im Regieren, oder im Reden und Überreden, in den Künsten ebenso wie in den Sittlichkeiten, sich erst vermöge der »Tyrannei solcher Willkür-Gesetze« entwickelt hat; und allen Ernstes, die Wahrscheinlichkeit dafür ist nicht gering, daß gerade dies »Natur« und »natürlich« sei – und nicht jenes laisser aller! Jeder Künstler weiß, wie fern vom Gefühl des Sich-gehen-lassens sein »natürlichster« Zustand ist, das freie Ordnen, Setzen, Verfügen, Gestalten in den Augenblicken der »Inspiration« – und wie streng und fein er gerade da tausendfältigen Gesetzen gehorcht, die aller Formulierung durch Begriffe gerade auf Grund ihrer Härte und Bestimmtheit spotten (auch der festeste Begriff hat, dagegen gehalten, etwas Schwimmendes, Vielfaches, Vieldeutiges –). Das Wesentliche, »im Himmel und auf Erden«, wie es scheint, ist, nochmals gesagt, daß lange und in einer Richtung gehorcht werde: dabei kommt und kam auf die Dauer immer etwas heraus, dessentwillen es sich lohnt, auf Erden zu leben, zum Beispiel Tugend, Kunst, Musik, Tanz, Vernunft, Geistigkeit – irgend etwas Verklärendes, Raffiniertes, Tolles und Göttliches. Die lange Unfreiheit des Geistes, der mißtrauische Zwang in der Mitteilbarkeit der Gedanken, die Zucht, welche sich der Denker auferlegte, innerhalb einer kirchlichen und höfischen Richtschnur oder unter aristotelischen Voraussetzungen zu denken, der lange geistige Wille, alles, was geschieht, nach einem christlichen Schema auszulegen und den christlichen Gott noch in jedem Zufalle wiederzuentdecken und zu rechtfertigen – all dies Gewaltsame, Willkürliche, Harte, Schauerliche, Widervernünftige hat sich als das Mittel herausgestellt, durch welches dem europäischen Geiste seine Stärke, seine rücksichtslose Neugierde und feine Beweglichkeit angezüchtet wurde: zugegeben, daß dabei ebenfalls unersetzbar viel an Kraft und Geist erdrückt, erstickt und verdorben werden mußte (denn hier wie überall zeigt sich »die Natur«, wie sie ist, in ihrer ganzen verschwenderischen und gleichgültigen Großartigkeit, welche empört, aber vornehm ist). …




... link (0 Kommentare)   ... comment







Mittwoch, 25. Oktober 2017

Ab sofort heißt der Blog nicht mehr "Reflektion meiner rechten Gesinnung", sondern "Grenzreflektionen – Grenzen und Grenzwertiges".

Der alte Titel klang mir auf die Dauer doch zu sehr nach Festgelegtheit. Und Festgelegtheit ist das, was ich bei Denkern grundsätzlich verachte.

Ich will zugeben, dass ich hier offenbar auch einem "sozialen Druck" nachgebe. Zumindest in meiner Einbildung: "Mein Kopf ist in anderen Köpfen, und dieser wieder in anderen Köpfen…" Am Ende glaube ich einfach, dass die Interpretation, ich will hier "rechte Propaganda" machen, zu leicht gefördert wird, wenn ich bei meinem alten Blogtitel bleibe. Hinzu kommt die Überlegung, dass dem einen oder anderen das Kommentieren hier wahrscheinlich leichter fällt, wenn der Titel neutraler gehalten ist.

Ich kann in dieser Angelegenheit zur Zeit nicht klar unterscheiden, zwischen einem freiwilligen Hineinversetzen in andere Köpfe und einem unfreiwilligen "Verklebt-Sein" mit anderen Köpfen, also einem Nachgeben aus Schwäche und mangelnder geistiger Eigenständigkeit. Aber was soll's. Dann bin ich eben mal "schwach" und gebe nach. Anfangs habe ich den originalen Blogtitel mit einer gewissen Leichtigkeit tragen können. Dass dem nicht mehr so ist, liegt vielleicht auch einfach am Modus des Bloggens. Jedes Mal springt einen der Titel von Neuem an, wenn man hier liest oder schreibt.




... link (0 Kommentare)   ... comment