Linke und Rechte haben jeweils ihre Lieblingsopfergruppen, über die sie sich am meisten empören. Linke empören sich z.B. am liebsten über nicht-deutsche Opfer und über Diskriminierungsopfer. Rechte empören sich dagegen am liebsten über deutsche Opfer. Das nenne ich "die beschissene Arbeitsteilung".
Im Grunde kann man in diesem Modus keine der beiden Seiten wirklich ernst nehmen. Zumindest nicht mit irgend einem Anspruch auf ein höheres moralisches Level. Auch die linke (die eigentlich etwas höhere) Moral macht hier genau den Grundfehler, den zu kritisieren doch eigentlich zu ihren Kernkompetenzen gehört: Für sie sind in der Praxis doch nicht "alle Menschen gleich". Gewisse Opfergruppen sind ihr ans Herz gewachsen, anderen gegenüber ist sie fast vollkommen gleichgültig und kaltherzig. Ganz besonders gleichgültig scheint sie gegenüber deutschen Opfern zu sein. Wahrscheinlich hält sie schon allein deswegen Abstand von dieser Gruppe, weil sich ja die "Rechten" schon so um sie kümmern. Und mit denen will man ja nichts gemein haben. Die Rechten hingegen zeigen dafür mit umso mehr Nachdruck auf die "Eigenen", weil es ja sonst niemand macht in der "verlogenen und linkslastigen Gesellschaft".
Aber so wird das nichts mit Gerechtigkeit und Objektivität, auch nichts mit Versöhnung und Heilung der Gesellschaft. (Falls das überhaupt jemand will.)
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Ich würde den Journalismus gerne mal einer Generalinspektion unterziehen und über die entscheidenden Selektionskriterien öffentlich in der Gesellschaft verhandeln, nach denen bestimmte Ereignisse eine Meldung wert sind oder nicht. Mir ist immernoch nicht klar, welche Kriterien da genau greifen, gerade in Bezug auf Todesfälle und Gewaltopfer. Offensichtlich werden da ja ganz massive Unterschiede gemacht, siehe z.B. Berichterstattung zu den NSU-Morden, oder eben die Nicht-Berichterstattung zu "sonstigen Morden". Es scheint Tote zu geben, die sind wichtiger oder heiliger als andere. (Und Suizide?…)
Ich würde mir hier eine Grundsatzdebatte wünschen, die frei von moralischen Dogmen ist und keinerlei Vorschriften macht, worauf sich das öffentliche Interesse am meisten zu richten hat. Das "Interesse" der Nachrichtenkundschaft sollte vielleicht ganz grundsätzlich auch höher bewertet und das Nachrichtenprogramm entsprechend angepasst werden. Eine bewusste "Lenkung des Interesses" sollte nur nach abstrakten, nicht konkret politischen Standpunkten erfolgen. So halte ich es z.B. für diskussionswürdig, dass wir die Information "Heute sind x-tausend mangelernährte Kinder in der Welt gestorben" doch ab und zu, vielleicht ein Mal alle zehn Tage, ins Programm der Tagesschau aufnehmen sollten, denn das einzige, was uns daran hindert, ist doch die allzu reflexhafte Unterwerfung des Menschen unter seinen Neugiertrieb. Informationen nur deshalb auszusortieren und für weniger relevant zu halten, nur weil sie keine "Neuigkeit" mehr sind und daher keinen psychologischen Kick mehr geben, ist doch sehr triebgesteuert. Und aus moralischer Sicht ist eine solche Triebsteuerung geradezu jenseitig, das Kriterium "Neuigkeit" ist völlig substanzlos. Zumal diese Praxis am Ende dazu führt, dass es kaum noch jemanden bewusst ist, wie viele Kinder denn so täglich in der Welt sterben. Ich weiß es aus dem Stehgreif jetzt auch nicht.
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